Update zur Digitalisierung der Bundeswehrkrankenhäuser
Update: Digitalization of Bundeswehr Hospitals
Jörg Schönfelda
a Abteilung Medizintechnik, Bundeswehrkrankenhaus Berlin
Zusammenfassung
Die öffentliche Sicht auf das Gesundheitswesen ist gekennzeichnet durch Meldungen über eine zunehmende Spezialisierung in der Medizin. Gleichzeitig entsteht aus den Folgen des demografischen Wandels ein immer größer werdender Personalmangel im ärztlichen und pflegerischen Bereich.
Die IT-Abteilungen (S6-Abteilungen) in den Bundeswehrkrankenhäusern (BwKrhs) finden sich in diesem Kontext in einer schwierigen Situation wieder: Zunehmend komplexere IT-Infrastrukturen im Gesundheitssektor benötigen Spezialwissen für die zur Anwendung kommenden medizinischen Applikationen. Die Entwicklungen für die IT-Infrastruktur und die Softwareapplikationen schreiten überdurchschnittlich schnell voran. Gleichzeitig ist es schwierig, Fachpersonal zu rekrutieren oder notwendige IT-Entwicklungskonzepte beim Zusammenwirken digitaler Medizingeräte in der erforderlichen Geschwindigkeit zu erstellen und weiterzuentwickeln. Infolge der dargestellten Disruption werden Lösungen und Services gesucht, um IT-Fachleute in den BwKrhs zu unterstützen.
Die BwKrhs dienen als Testumgebung und als sogenannte Innovation-Hubs für neue digitale Lösungen, bevor diese flächendeckend im Sanitätsdienst eingeführt werden. Zu den vorgestellten aktuellen Projekten wurde bereits klinisch aktive künstliche Intelligenz (KI) mittels Algorithmen-Unterstützung (AI) in der Radiologie im BwKrhs Berlin eingeführt.
Schlüsselwörter: Digitalisierung, Digitalisierungsstrategie, Digitale Plattform, Digitale Transformation
Summary
Reports of increasing specialization in medicine characterize the public’s view of the healthcare system. At the same time, the consequences of demographic changes are leading to a growing shortage of medical and nursing staff.
The IT departments (S6 departments) of the Bundeswehr hospitals (BwKrhs) find themselves in a difficult situation in this context: complex IT infrastructures in the healthcare sector require specialized knowledge of medical applications used. IT developments for IT infrastructure and software applications are progressing rapidly. At the same time, it is challenging to recruit specialist staff or to create and further develop the necessary IT development concepts for the interaction of digital medical devices at the required speed. As a result of the disruption described above, solutions and services are being sought to support IT specialists in the Bundeswehr hospitals.
The Bundeswehr hospitals serve as test environments (so-called innovation hubs) for new digital solutions before those are rolled out across the medical services. Among the current projects presented, clinically active artificial intelligence (AI) has already been introduced in radiology at the Bundeswehr Hospital in Berlin using algorithms.
Keyword: digitalization; digitalization strategy; digital platform; digital transformation
Die Digitalisierungsplattform im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung
Die am 1. Oktober 2022 in Dienst gestellte Zentrale Dienststelle für Digitalisierung der Bundeswehr (ZDigBw) übernahm die zentrale Planungsverantwortung für sämtliche IT-Projekte im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung (GB BMVg). Das Hauptinstrument hierfür ist die Digitalisierungsplattform GB BMVg, die in neun thematischen Clustern standardisierte, modulare, skalierbare und wiederverwendbare IT-Services plant und deren rüstungstechnische Umsetzung im Verbund über das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) erfolgt. Entscheidend für den nachhaltigen Erfolg ist dabei ein aktives Veränderungsmanagement in allen beteiligten Bereichen (BMVg Cyber- und Informationstechnik, Kommando Cyber- und Informationsraum/ZDigBw, BAAINBw, BWI GmbH und die Nutzer).
In den drei Jahren seit ihrer Gründung hat sich die ZDigBw rasch innerhalb der Bundeswehr etabliert, sowohl durch die Zusammenführung von Prozess- und Fachkompetenz als auch durch ihre vielfältigen Aufgaben. Als „Think Tank“ bewertet oder erstellt sie die notwendigen nationalen und multinationalen konzeptionellen Grundlagen, die als Ausgangspunkt für die weitere Planung und Beschaffung dienen. Als zentrales Planungsorgan für die Digitalisierung der Bundeswehr laufen im ZDigBw alle Fäden zusammen, wodurch über die Digitalisierungsplattform GB BMVg kosteneffiziente und standardisierte IT-Services in zentraler Verantwortung geplant und entsprechende Steuerungsmaßnahmen initiiert werden können. Dies bedeutet, dass kostenintensive, proprietäre und monolithische Systeme zukünftig vermieden werden sollen. Nicht zuletzt bringen die Fachleute der ZDigBw ihr Know-how und ihre Erfahrung gewinnbringend in laufende Projekte ein und leisten so einen wesentlichen Beitrag zum Erfolg aller Digitalisierungsbemühungen.
Der Erfolg der Digitalisierung der Bundeswehr wird sich primär daran messen, inwieweit zeitnah Fähigkeiten bereitgestellt werden können, die sowohl die digitale Überlegenheit gegenüber potenziellen Gegnern als auch die Interoperabilität der verschiedenen militärischen Dimensionen und die Zusammenarbeit mit verbündeten Streitkräften in Operationen verbessern. Die Lehren aus dem Ukrainekrieg verdeutlichen nach wie vor eindrücklich, dass im Kontext der Landes- und Bündnisverteidigung in erheblichem Maße mit begleitenden oder sogar ausschließlich hybriden Bedrohungsszenarien gerechnet werden muss [10]. Folgerichtig versteht sich die ZDigBw als dimensionsübergreifende, zentrale Koordinierungsstelle für konzeptionelle und planerische Entwicklungs- und Digitalisierungsaktivitäten aller Organisationsbereiche. Mit ihrer schlanken, effizienten und agilen Struktur wird sie die Verantwortung für die Fähigkeitsentwicklung im Cyber- und Informationsraum sowie die Planungsaufgaben im Teilportfolio Cyber/IT und CIR für die Bundeswehr weiterhin konsequent wahrnehmen.
Ein zentrales Prinzip ist dabei die agile Arbeitsweise der ZDigBw, die sich auch in der Umstrukturierung („ZDigBw 1.1“) zeigt, um die Aufbauorganisation optimal an die bevorstehenden Herausforderungen anzupassen. Dies ist ein wichtiger Schritt hin zum Systemhaus CIR. Darüber hinaus wird die Rolle als zentraler Bedarfsträger für das Teilportfolio Cyber/IT und die Steuerung des Portfolios CIR durch strukturelle Anpassungen der Abteilungen II und III gestärkt. Die Zusammenlegung der Abteilungen IV und V unter einer gemeinsamen Führung reduziert den Aufwand und wird signifikante Synergieeffekte in den internen Kompetenzen zur Entwicklung, Erprobung und Bewertung von Software- und IT-Systemen freisetzen [15].
Unterstützung durch Digitalisierungspartner BWI
BWI steht heute primär für die BWI GmbH, ein IT-Systemhaus der Bundeswehr, das die digitale Infrastruktur und Transformation der deutschen Streitkräfte verantwortet und für die digitale Zukunftsfähigkeit Deutschlands sorgt [5]. Ob Online-Videosprechstunden, digitale Patientenakten oder robotergestützte Eingriffe – die Digitalisierung prägt das Gesundheitswesen bereits in vielfältiger Weise. Innerhalb der IT-Infrastruktur der Bundeswehr existieren diese einzelnen digitalen Anwendungen jedoch oft isoliert voneinander. Diese „Insellösungen“ verursachen unnötigen Aufwand und lassen gleichzeitig Möglichkeiten der Digitalisierung ungenutzt. Eine Customer Solution Unit zur Digitalisierung der Gesundheitsversorgung wurde ins Leben gerufen, um hier eine Verbesserung zu erzielen. In enger Zusammenarbeit mit dem Kommando Gesundheitsversorgung der Bundeswehr (KdoGesVersBw) und dem BAAINBw verfolgt die BWI einen umfassenden Ansatz: Durch die Entwicklung einer durchgängigen, prozessorientierten Enterprise-Architektur für die gesamte Gesundheitsversorgung der Bundeswehr sollen IT-Lösungen geschaffen werden, die konkrete Herausforderungen im täglichen Arbeitsablauf des Sanitätsdienstes adressieren.
Digitalisierung der Gesundheitsversorgung der Bundeswehrkrankenhäuser
Die Digitalisierung des Sanitätsdienstes der Bundeswehr steht vor zusätzlichen komplexen Herausforderungen, die über die des zivilen Gesundheitswesens hinausgehen und durch die Einsatzorientierung bedingt sind. Gleichzeitig findet ein Wandel der Organisation des Sanitätsdienstes statt [2]. Während in den Bundeswehrkrankenhäusern und Instituten erste digitale Lösungen existieren, herrscht in der truppenärztlichen Versorgung weiterhin eine analoge Dokumentation vor: Gesundheitsdaten werden handschriftlich auf Einlegekarten erfasst und sind somit nicht strukturiert auswertbar. In Verbindung mit ausgedruckten Patientenakten aus den Krankenhäusern resultiert dies in einer immensen Papierflut mit entsprechendem Archivierungsaufwand. Eine flächendeckende informationstechnische Unterstützung der Gesundheitsversorgung (GesVersBw) in der Bundeswehr fehlt bislang. Um dies zu ändern, ist eine durchgängige IT-Unterstützung in allen Bereichen der GesVersBw notwendig, deren Zusammenspiel durch ein zentrales Datenmanagement gewährleistet werden muss. Die geplante Einführung einer digitalen Plattform, des Health Information Management Systems (HIMS), soll den Datenfluss und -austausch über alle Fachinformationssysteme hinweg steuern und mit fortschreitender Digitalisierung die elektronische Gesundheitsakte sowie eine digitale Lagedarstellung in der GesVersBw ermöglichen. Aktuell wird ein Plan entwickelt, um die Digitalisierung in der Gesundheitsversorgung proaktiv voranzutreiben. Dabei gilt es, sowohl eine nachhaltige und zukunftssichere Architektur zu schaffen und fortzuschreiben als auch die entsprechenden Projekte zügig und effizient umzusetzen [3].
Derzeit stehen folgende Digitalisierungsprojekte im Fokus:
- Die „Elektronische Gesundheitsakte Soldat“
- Digitale Lagen in der GesVersBw: Aus verschiedenen Datenquellen können Informationen aufbereitet und visualisiert werden. Diese Darstellungen bilden die Voraussetzung für eine evidenzinformierte Führungsfähigkeit und Steuerung der GesVersBw.
- Eine digitale Datenbasis, auf der sektorübergreifend Fragestellungen zur Forschung und Entwicklung in der GesVersBw bearbeitet werden können
- Die Entlastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch eine medienbruchfreie Datenverfügbarkeit und Unterstützung bei ihren täglichen Aufgaben
- Mehrwertgenerierung für die Patientinnen und Patienten, beispielsweise mittels weitreichender digitaler Dokumentensammlung mit App-Unterstützung: So müssten die Patienten ihre Krankengeschichten nicht immer wieder erneut vortragen, sondern könnten auf eine von ihnen geführte Patientenakte via App verweisen.
- Die digitale Cloud: Die Grundlage der künftigen Multi-Cloud-Architektur der Bundeswehr ist die „Private Cloud der Bundeswehr“ (pCloudBw). Die bereits in diesem Jahr eingeführte erste Ausbaustufe der pCloudBw kann Daten bis zum Geheimhaltungsgrad „VS-NfD“ („Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch“) verarbeiten. Ein Teil dieser Cloud-Infrastruktur, ein sogenannter „Stack“, wird durch eine bei Google Cloud beschaffte und „air-gapped“ (vom öffentlichen Netz physisch getrennte) Cloud-Lösung realisiert. Der Aufbau sowie die Integration dieses Google-Stacks in die Rechenzentren der BWI soll 2026 beginnen und ist für die Bereitstellung der SAP Business Technology Platform (BTP) bis Ende 2027 geplant. Es ist davon auszugehen, dass Daten des Sanitätsdienstes in der modernen Multi-Cloud-Architektur der Bw ebenfalls verschlüsselt abgespeichert werden können [4].
Fallbeispiele der Digitalisierung in den Bundeswehrkrankenhäusern
Neben der Entwicklung grundlegender IT-Lösungen ermittelt die BWI in kontinuierlicher Abstimmung mit dem KdoGesVersBw und dem BAAINBw fortlaufend weitere Digitalisierungspotenziale innerhalb der Gesundheitsversorgung der Bundeswehr (GesVersBw). Ziel ist die stetige Steigerung des Digitalisierungsgrades durch die Entwicklung passender Lösungen und innovativer Services, wobei unter anderem auch bewährte Fachapplikationen aus dem zivilen Sektor geprüft und adaptiert werden. Seit Mitte 2022 treibt die BWI zudem die Modernisierung der Arbeitsplätze des medizinischen Personals voran, um deren Flexibilität und Ortsunabhängigkeit zu erhöhen (mobiles Arbeiten im Sanitätsdienst). Ein wesentlicher Bestandteil dieser Initiative ist die Einführung von bis zu 7 000 Tablets. Darüber hinaus sollen medizinische Geräte standardisiert vernetzt werden, um den Austausch von Informationen mit anderen Systemen zu ermöglichen, beispielsweise mit dem Krankenhausinformationssystem [5].
Die digitale Transformation birgt ein erhebliches Potenzial, die stationäre Gesundheitsversorgung sowohl im zivilen als auch im militärischen Bereich nachhaltig und effizient im Sinne einer patientenorientierten und qualitativ hochwertigen Versorgung zu optimieren. Eine besondere Herausforderung bei der Gestaltung dieses Wandels sind die spezifischen infrastrukturellen Anforderungen der BwKrhs im Hinblick auf Daten- und Cybersicherheit. Gerade beim externen Datenaustausch mit anderen Leistungserbringern und der Nutzung externer digitaler Dienste bedarf es zielgerichteter Lösungsansätze, um die Chancen der digitalen Transformation umfassend zu nutzen. Andernfalls droht den BwKrhs mittelfristig der Anschluss an die zivile Gesundheitsversorgung und der Verlust der Vorteile einer technologisch vernetzten Versorgung. Dies hätte signifikante Auswirkungen auf die Versorgung der Truppe und würde eine Kompensation von Ausbildungsinhalten in Kooperation mit zivilen Einrichtungen erforderlich machen. Ein konkretes Anwendungsbeispiel für den externen Datenaustausch im Zusammenwirken mit externen zivilen Krankenhäusern stellt das Projekt: „Gesundheitsstadt 2030“ dar, welches von der Charité und dem Vivantes Klinikverbund in Berlin initiiert wurde und an dem das BwKrhs Berlin als Kooperationspartner teilnimmt. Im Rahmen dieses Projekts wird zunächst das Teilprojekt „Digitale Notfallaufnahme“ vorangetrieben. Der Datenaustausch zwischen den Stakeholdern soll über standardisierte Schnittstellen der Medizininformatik (z. B. HL7, DICOM, Snomed CT und LOINC) erfolgen [9].
Digitale Ausbildung von Medizinstudenten am BwKrhs Berlin
Die COVID-19-Pandemie wirkte als Katalysator für die digitale Transformation in der universitären Lehre und stellte insbesondere zu Beginn des Jahres 2020 eine Zerreißprobe zwischen dem Schutzbedürfnis sicherer Lehrmethoden und der Notwendigkeit einer kontinuierlichen medizinischen Ausbildung dar, die den sofortigen Einsatz kreativer Lösungen erforderte. Dies betraf auch das Wahlpflichtmodul „Einsatz- und Katastrophenmedizin“, das seit 2016 unter der Schirmherrschaft des BwKrhs Berlin fest im Lehrplan der Charité verankert ist und den Studierenden in drei Wochen durch eine Kombination aus Vorlesungen, Seminaren und praktischen Übungen Einblicke in die Besonderheiten der zivilen Katastrophenmedizin und der militärischen Einsatzmedizin vermittelt.
Ab dem Sommersemester 2020 mussten die praxisorientierten Ausbildungsteile erstmals vollständig entfallen, Vorlesungen sowie Seminare wurden ausschließlich online durchgeführt. Um die von der Charité vorgegebene Kommunikationsplattform zu nutzen, wurde in Kooperation mit der Abteilung S6 (IT-Abteilung) des BwKrhs Berlin ein dedizierter Raum für digitale Lehre geschaffen, der mit frei zugänglichen PCs und uneingeschränktem Internetzugang ausgestattet war. Die praktischen Inhalte wurden anfänglich spontan von verschiedenen Dozenten demonstriert und live übertragen. Diese zunächst improvisierten Aufnahmen entwickelten sich im Laufe der Zeit zu professionelleren Produktionen, sodass im Folgesemester diese Unterrichtseinheiten bereits mit drei verschiedenen Kameraperspektiven, einem Kommentator und mehreren Akteuren durchgeführt werden konnten. Ein Teil der Studierenden präferierte diese Lernform gegenüber traditionellen Seminaren, da die unterschiedlichen Kameraperspektiven eine deutlich präzisere und umfassendere Sicht auf das Geschehen ermöglichten. Ergänzend wurden virtuelle Planspiele (Serious Games) zum Thema MASCAL (Massenanfall von Verletzten) eingesetzt.
Auch die Durchführung von Prüfungen und Modulbewertungen ließ sich problemlos online realisieren. Die Zufriedenheit der Studierenden mit dem Modul unter den Bedingungen der Pandemie unterschied sich nicht signifikant von der in vorherigen Semestern unter Normalbedingungen erfassten Zufriedenheit. Obwohl die digitale Lehre die Präsenzlehre sicherlich nicht in allen Aspekten vollständig ersetzen kann, bietet sie dennoch bemerkenswerte Vorteile. So erreichten beispielsweise freiwillige Vorlesungen, die per Livestream angeboten wurden, teilweise eine bis zu zehnfach höhere Zuhörendenzahl als vergleichbare Präsenzveranstaltungen in den Semestern zuvor [7].
Online-Videosprechstunde (OVS):
Effiziente Arzttermine per Video
Die Online-Videosprechstunde (OVS) bietet Patienten der regionalen Sanitätsunterstützungs- und -versorgungszentren (zukünftig auch der BwKrhs) die Möglichkeit, medizinische Beratungen komfortabel und sicher über ihren Dienstrechner von zu Hause aus wahrzunehmen. Diese digitale Innovation spart Zeit und Reiseaufwand und ermöglicht eine flexible ärztliche Versorgung. Die zuvor im BwKrhs Berlin erfolgreich erprobte Videosprechstunde wurde mit dem renommierten Paul-Schürmann-Preis der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. ausgezeichnet [6].
ePflegeruf und Kommunikations-App:
Verbesserte Kommunikation zur Personalentlastung
Ergänzend zur OVS wurde die Pflegeruf-App erprobt, um die Kommunikation zwischen Patienten und Pflegekräften zu optimieren. Mittels intuitiver Symbole können Patienten über die App unkompliziert und direkt Bedürfnisse wie „Durst“ mitteilen, was dem Pflegepersonal eine effizientere Reaktion ermöglicht als das herkömmliche Lichtrufsystem. Diese Neuerung führt zu einer spürbaren Entlastung des Personals und trägt maßgeblich zur Steigerung der Pflegequalität im BwKrhs Berlin bei.
Einsatz von Robotic Process Automation (RPA)
Kurz vor der Einführung steht auch die robotergestützte Prozessautomatisierung (RPA) im BwKrhs Ulm. Ziel ist es, repetitive Büroarbeiten wie die Datenextraktion und das Ausfüllen von Formularen durch intelligente Automatisierungstechnologien zu erledigen. Dies wird ebenfalls zur Reduzierung der Arbeitslast des Fachpersonals beitragen. Die Digitalisierung der Gesundheitsversorgung in der Bundeswehr ist somit nicht nur ein begonnener Prozess, sondern gewinnt zunehmend an Dynamik. Das erklärte Ziel ist die umfassende und nachhaltige Optimierung der medizinischen Versorgung bei gleichzeitiger spürbarer Entlastung des Personals.
Einsatz von Künstlicher Intelligenz/Artificial Intelligence
Im Bundeswehrkrankenhaus Berlin wurden drei KI/AI Pilotprojekte in den klinischen Livebetrieb überführt: Schlaganfallvorhersage in der Klinik für Neurologie, Leistungsbeurteilung von Befunden in der Lungenfunktionsdiagnostik in der Klinik für Innere Medizin, Unterstützung bei der Befundung von Röntgenbildern in der Klinik für Radiologie.
Technologische Herausforderungen beim Einsatz von KI
Der Einsatz von KI bei der Befund-Unterstützung von Röntgenbildern bildet den Stand der Technik in der Radiologie ab. Die Herausforderung besteht in der Konsolidierung vorhandener IT-Strukturen wie die digitalen Röntgenbildarchive – Digital Picture Archive System (PACS) der Medizinproduktehersteller, mit den derzeit vorhandenen digitalen Infrastrukturplattformen für Serveranwendungen – MedSAN (Medizinisches Storage Area Network) der BWI und der Übernahme der neuen Technologie in den derzeit gestarteten Prozess „Unterstützung bei der Integration von Sanitätsgeräten“ der BWI in den BwKrhs [8].
Im BwKrhs Berlin wurde seit Mitte August 2025 die KI für die Bild-Befund-Unterstützung der Firma Blackford Analysis [1] als Systempartner des Medizinprodukteherstellers Philips GmbH in der Radiologie an den Start gebracht und in den Clinical Live Prozess überführt. Derzeit stehen fünf KI-gestützte Befundmodule bei der Bildbefundung im Fokus mit begleitender fachärztlicher Validierung. Grundlage für die Einführung der Befundung von Röntgenbildern mit Algorithmen-Unterstützung (AI) ist die Migration des Produkts Philips AI-Manager als sogenannte High-Performance-Computing (HPC) Architektur in das PACS im BwKrhs Berlin. Der Philips AI Manager ist eine umfassende Lösung zur Implementierung von künstlicher Intelligenz (KI), die eine nahtlose End-to-End-Integration in die bestehende IT-Infrastruktur der BWI und vorhandene PACS-Lösung ermöglichte [12]. Diese zentrale Integrationsplattform versetzt die Radiologen am BwKrhs Berlin in die Lage, KI-gestützte Anwendungen zu nutzen, um fundiertere Befundungen vorzunehmen und präzisere klinische Einblicke direkt in ihren radiologischen Arbeitsablauf zu erhalten. Der AI-Manager fungiert dabei als zentraler Zugangspunkt für über 100 KI-gestützte Anwendungen von mehr als 35 beauftragten (möglichen) KI-Anbietern, einschließlich zukünftiger Anwendungen des Partners Blackford Analysis. Abbildung 1 stellt vereinfacht die Integration von KI-gestützter MRT-Untersuchung dar. Vor Einführung der AI-Anwendung von Philips wurde durch eine begleitende Diplomarbeit am BwKrhs Berlin die Methodik zur Anwendung von KI in der radiologischen Bildgebung erarbeitet und eine erfolgreiche Rentabilität (ROI – Return on Investment) bei der Refinanzierung über eine Abrechnung im Bettenpflegesatz des BwKrhs Berlin nachgewiesen.
Abb. 1: Vereinfachte Darstellung KI unterstützte Bildbefundung in der MRT-Bildgebung
Hoch performante Serverumgebungen im Med Storage Area Network der BWI
Zwischenzeitlich hat zusätzlich die BWI auf dem Medical Storage Area Network (MedSAN) des BwKrhs Berlin ein Projekt pilotiert, mit dem es möglich ist, ab sofort und in Zukunft KI-Anwendungen der Medizinproduktehersteller auf einer BWI eigenen HPC-Plattform des Networks zu portieren. MedSAN ist ein zentrales IT-System der Bundeswehr für medizinische Daten, das auf einem Netzwerk für Datenspeicherung und -übertragung sowie hochleistungsfähigen Servern basiert. Es dient dazu, medizinische Daten sicher zu bündeln, zu verarbeiten und bereitzustellen, beispielsweise in Form der elektronischen Gesundheitsakte der Bundeswehr, und bildet das Rückgrat der digitalen Gesundheitsversorgung der Streitkräfte.
Die HPC-Plattform wird als virtuelle Serverumgebung mit Grafikkartenprozessoren-Unterstützung (vGPU – virtuell Graphic Processor Unit) ausgeführt [14]. Derzeit wurde erfolgreich die Anwendung „Siemens syngo.via“ [13] auf der MedSAN-Plattform als ausfallsichere High-Performance-Anwendung migriert und der Radiologie als CT-Befundumgebung bereitgestellt. Die bisherige Siemens syngo.via-Plattform wurde ganzheitlich digital transformiert. Dabei kommen moderne Grafikkarten-Prozessoren der Firma NVIDIA zur Anwendung [14]. Die BWI hat anhand des Pilotprojekts nachgewiesen, dass es möglich ist, die BwKrhs mit modernen HPC- und KI-Plattformen als integralem Bestandteil des MedSAN auszustatten und für einen ausfallsicheren Betrieb vorzuhalten. Abbildung 2 stellt vereinfacht eine HPC-Plattform der BWI mit modernen NVIDIA-Prozessoren in einer virtuellen Arbeitsumgebung des MedSAN dar.
Abb. 2: Vereinfachte Darstellung HPC mit NVIDIA Prozessoren auf dem MedSAN der BWI
Fazit
Die Digitalisierung der Bundeswehr, im Speziellen des Sanitätsdienstes und der BwKrhs, treibt die digitale Transformation maßgeblich voran, da sie die Prozesseffizienz der Patientenbehandlungsprozesse verbessert und die Interoperabilität der medizinischen Datennutzung stärkt. Durch die Einführung digitaler Patientenakten und die Nutzung vernetzter Informationssysteme werden langsame, papierbasierte Abläufe ersetzt, was sowohl die Verwaltungsprozesse als auch die medizinische Patientenversorgung beschleunigt. Dies verbessert das Lagebewusstsein und die Einsatzfähigkeit der Truppe durch einen schnellen und sicheren Informationsaustausch zwischen Einsatzgebiet, Feldlazarett und stationärer Versorgung nach dem gegenwärtigen Rollenkonzept der sanitätsdienstlichen Behandlung im Einsatz. Darüber hinaus erhöht die Integration von Telemedizin und mobilen Gesundheitslösungen die Qualität der Gesundheitsversorgung, indem sie Konsultationen mit medizinischen Spezialisten unabhängig vom Standort ermöglicht und die Behandlung in kritischen Lagen verbessert. Die Notwendigkeit, derartig komplexe militärische und medizinische Anforderungen digital zu lösen, fördert die Entwicklung neuer, sicherer KI-Anwendungen und die digitale Kompetenz des militär-medizinischen Personals. Dadurch wird der Sanitätsdienst zu einem Innovationstreiber und Multiplikator für die digitale Transformation in der gesamten Bundeswehr.
Literatur
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Manuskriptdaten
Zitierweise
Schönfeld J. Digitalisierung der Bundeswehrkrankenhäuser in Deutschland. WWM 2025;69(12):550-555.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-786
Für die Verfasser:
Dipl.-Ing. Jörg Schönfeld
Abteilung: M – Medizintechnik
Bundeswehrkrankenhaus Berlin
Scharnhorststraße 13, 10115 Berlin
E-Mail: joergschoenfeld@bundeswehr.org
Manuscript Data
Citation
Schönfeld J. [Digitalization of Bundeswehr hospitals]. WWM 2025;69(12):550-555.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-786
For the Authors
Senior Biomedical Engineer Dipl.-Ing. Jörg Schönfeld
Department Biomedical Engineering
Bundeswehr Hospital Berlin
Scharnhorststraße 13, D-10115 Berlin
E-Mail: joergschoenfeld@bundeswehr.org