Wehrmedizinische Monatsschrift

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Inhaltsverzeichnis
Editorial
Editorial
Leitartikel
The Use of Artificial Intelligence in Disaster Medicine





KI in der klinischen Medizin
Digitalisierung und Künstliche Intelligenz in der Pathologie am Beispiel des Lungenkarzinoms



KI in der klinischen Medizin
Künstliche Intelligenz in der Radiologie:​ Erste Erfahrungen aus dem Bundeswehrkrankenhaus Berlin







KI in der klinischen Medizin
Nutzen der KI in der Dermatologie – Vergangenheit,​ Gegenwart und Zukunft





KI in der klinischen Medizin
Künstliche Intelligenz in Orthopädie und Unfallchirurgie – Gegenwart und zukünftige Herausforderungen





KI in der klinischen Medizin
Künstliche Intelligenz in der präklinischen Notfallmedizin – Chancen,​ Grenzen und militärische Relevanz





KI im Krankenhausmanagement
KI-Compliance in Bundeswehrkrankenhäusern



KI im Krankenhausmanagement
Update zur Digitalisierung der Bundeswehrkrankenhäuser




KI im Krankenhausmanagement
Digitale Reifegradmessung nach dem Electronic Medical Records Adoption Model – EMRAM







Varia
Kopfschmerzerkrankungen in der Bundeswehr:​ Phänotypen,​ dienstliche Auswirkungen und Perspektiven der medizinischen Versorgung






Tagungen und Kongresse
DiMiMED 2025 – „Blut ist menschlicher Treibstoff“
Tagungen und Kongresse
Internationale Tagung 2025 der Schweizerischen Gesellschaft der Offiziere der Sanitätstruppen
Tagungen und Kongresse
Die möglichen Bedrohungen der Zukunft im Blick
Aus dem Sanitätsdienst
Jahrestagung 2025 der Österreichischen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie
Aus dem Sanitätsdienst
Zur Verabschiedung von Oberstarzt a.​ D.​ Dr.​ Georg Helff
Mitteilungen der DGWMP e.​ V.​
Geburtstage Januar 2026
KI in der klinischen Medizin PDF

Künstliche Intelligenz in der Radiologie:
Erste Erfahrungen aus dem Bundeswehrkrankenhaus Berlin

Artificial Intelligence in Radiology: Initial Experiences at the Bundeswehr Hospital Berlin

Tobias Peter Schneidera, Hannah Pechera, MarkusPreißa, Anett Mabel Tillmanna

aAbteilung VIII – Radiologie, Bundeswehrkrankenhaus Berlin

Zusammenfassung

Anwendungen mit künstlicher Intelligenz finden sich immer häufiger im Alltag, beispielsweise in Form von ChatGPT, Chatbots bei Dienstleistern oder in Internetvideos. Besonders das Fachgebiet der Radiologie eignet sich für die Nutzung von künstlicher Intelligenz, da hier ein Großteil der Daten vollständig digital vorliegt. Diese Daten und Metadaten können interpretierend, im Rahmen der Befundung oder nicht interpretierend im Rahmen der Bilddatenerhebung bzw. der Administration durch künstliche-Intelligenz-(KI)-Applikationen bearbeitet werden. Bei interpretierender Nutzung fungiert die künstliche Intelligenz beispielsweise als Zweitmeinung oder als Tool zur Priorisierung von Befunden, indem die pathologischen Befunde in der Arbeitsliste des Radiologen gekennzeichnet werden. Bei der nicht interpretierenden Nutzung sind Vorteile im Strahlenschutz, der Bildqualität und der besseren Auslastung der Großgeräte erkennbar.

Aus wehrmedizinischer Sicht sind die Aspekte Strahlenschutz, aufgrund des doch jüngeren Patientenklientels, aber auch die Befundpriorisierung, z. B. im Rahmen eines Massenanfalls an Verwundeten, von Bedeutung. Zu beachten sind auch Aspekte der Ausfallsicherheit und des Datenschutzes. Erste Anwendungen von KI in der Radiologie des Bundeswehrkrankenhauses Berlin zeigen einige Herausforderungen und konnten dennoch in den ersten Anwendungen vielversprechende Ergebnisse erzielen.

Schlüsselwörter: Künstliche Intelligenz (KI), Radiologie, Zweitmeinung, Priorisierung, Triage, Strahlenschutz, Bildqualität

Summary

Applications using artificial intelligence are increasingly encountered in everyday life, whether in the form of ChatGPT, chatbots used by service providers, or in internet videos. In particular, the field of radiology is well-suited for the use of artificial intelligence, as data in this discipline are available in an almost entirely digital format. These data may be processed by AI applications in either an interpretive manner, within the context of diagnostic reporting, or in a non-interpretive manner, such as during image acquisition or administrative processes. In interpretive use, artificial intelligence functions as a second opinion and may also assist in prioritizing diagnostic reporting by highlighting potentially pathological findings. In non-interpretive use, benefits can be observed in radiation protection, image quality, and improved utilization of large-scale imaging equipment. From a military medical perspective, aspects such as radiation protection – particularly relevant due to the comparatively younger patient population – as well as report prioritization, for example in the context of a mass casualty incident, are of particular importance. Aspects of reliability and data protection must also be taken into consideration. Initial applications of AI in the radiology department of the Bundeswehr hospital Berlin have revealed several challenges, yet have nonetheless demonstrated promising results in early use cases.

Keywords: artificial intelligence (AI); radiology; second opinion; prioritization;, triage; radiation protection; image quality

Einleitung und Hintergrund

Künstliche Intelligenz (KI) durchdringt zunehmend alle Lebens- und Arbeitsbereiche und gilt als Schlüssel- und Querschnittstechnologie, nicht nur im Gesundheitswesen [25]. Autonom fahrende Autos, Sprachassistenten, „Chatbots“ und sogenannte „smart homes“ gehören bereits zu unserem Alltag. Mit KI wird die Fähigkeit von Computern beschrieben, Probleme zu lösen und intelligente Entscheidungen treffen zu können [17][37]. Die KI soll das Entscheidungsmuster eines Menschen simulieren und mittels Algorithmen automatisieren. Die Einführung von KI wird als nächster Schritt in der industriellen Revolution angesehen, die bereits jetzt das Leben der Menschen fundamental verändert.

Zielbestimmungen im Gesundheitswesen sind die Verbesserung der Patientenversorgung sowie die Reduktion von Wartezeiten und Kosten [10]. Kromrey et al. zitieren Vertreter der Europäischen Union, dass 35 % der Aufgaben im medizinischen Bereich automatisiert werden können und nur so der sich hier abzeichnende Fachkräftemangel bewältigt werden kann [17].

Künstliche Intelligenzen können, nach ihrer Lehrfähigkeit, in schwache und starke KI eingeteilt werden. Schwache KI verfügen nur über eine geringe, allenfalls systematische Lernfähigkeit, während starke KI mittels Datenverständnisses oder Erfahrung lernen können [38]. Expertensysteme gehörten zur schwachen KI. Hier werden dem System verallgemeinerte Informationen und Regeln zur Verfügung gestellt, die dann auf Datenmengen angewendet werden können, um Entscheidungen treffen zu können [37].

„Machine Learning“ bezeichnet eine Fähigkeit von KI, Bildmuster in bestehenden Daten zu erkennen und diese zu nutzen, um in neuen Daten Vorhersagen treffen zu können [17]. „Machine Learning“ kann analytischen, schwachen KI-Systemen zugeordnet werden [15]. Beispiele hierzu sind die automatische Detektion und Segmentierung von Bildmustern in Bilddaten [19]. Neuronale Netze bezeichnen „Machine Learning“-Systeme, die entsprechend biologischen Strukturen konstruiert wurden. Bei „Deep Learning“ handelt es sich um Systeme, die neuronale Netze in verschiedenen Ebenen verbinden und zur Stimm- und Bilderkennung zum Einsatz kommen [17]. „Deep Learning“-Systeme können intuitiver KI zugeordnet werden und somit starken KI-Systemen. Als Beispiel für eine empathisch agierende KI kann der „Chatbot“ Replika genannt werden [15], der einen virtuellen Freund oder Begleiter simuliert und im Apple App-Store erhältlich ist. KI in der Radiologie basiert zumeist auf „Machine Learning“, aber auch zunehmend auf „Deep Learning“.

Historischer Rückblick

Diese Entwicklung begann bereits in den 1950er Jahren mit der Begriffsbestimmung der KI [25]. In der Medizin konnte 1972 mit MYCIN, einem mikrobiologischen Expertensystem, eine erste KI-Applikation etabliert werden [30]. Die ersten Professuren für KI-Forschung wurden in den 1980er Jahren eingerichtet und seit den 2000er Jahren kamen „Computer Aided Detection“-Anwendungen als Expertensysteme, z. B. zur Lungenrundherderkennung, zur Anwendung [24]. Zunehmende „Machine Learning“-Applikationen zur Mustererkennung drängen seit den letzten fünf Jahren auf den Markt. Kromrey zitiert die Federal Drug Administration (FDA), die 2021 feststellte, dass von ihr zugelassene KI-Systeme vor allem in der Radiologie verwendet werden, danach in geringerem Ausmaß in der Kardiologie und Onkologie [17].

Die Radiologie, als technologielastiges und -affines Teilgebiet der Medizin, eignet sich besonders für den Einsatz von KI, da radiologische Daten bereits digital vorhanden sind [17]. Die zunehmende Digitalisierung in der Medizin führt zu einer stetig ansteigenden und kaum noch zu bewältigenden Datenmenge, derentwegen die KI eine zunehmende Bedeutung bekommen wird [38].

KI-Applikationen in der Radiologie

KI-Applikationen in der Radiologie können interpretierende und nicht interpretierende Aufgaben übernehmen. Als interpretierende Anwendungen sind exemplarisch die Detektion von brustkrebsverdächtigen Bildmustern im Rahmen des Screenings [22] oder auch zur Erkennung von Frakturen, Hirnblutungen, Schlaganfällen oder Lungenarterienembolien zu nennen [17]. Bei den nicht interpretierenden Anwendungsmöglichkeiten kann eine KI Hilfestellung bei der Patientenlagerung, der Untersuchungsplanung, der Nachverarbeitung der Bilddaten und zur Unterstützung administrativer Aufgaben wie Abrechnung und Terminplanung leisten [3][31].

Einsatzmöglichkeiten für KI zeigen sich im gesamten Bereich der Leistungserbringung radiologischer Dienstleistungen, auch in der Terminplanung und Geräteauslastung [38]. KI soll zum einen das Ergebnis einer medizinischen Behandlung oder Diagnostik verbessern, zum anderen aber auch die Effizienz durch die Optimierung des Workflows erhöhen [35].

Anwendungen im Bundeswehrkrankenhaus Berlin

In der Abteilung Radiologie des Bundeswehrkrankenhauses Berlin werden KI-Applikationen bereits im Rahmen der Diagnostik und auch in der Bildakquisition genutzt. Seit Januar 2025 ist der AI-Manager der Firma Philips, Niederlande, eine Serverplattform für KI-Applikationen, in Betrieb. Im Rahmen der Regeneration der konventionellen Röntgengeräte konnte 2025 KI-gestützte automatische Einblendung von Röntgenaufnahmen beschafft werden, die die Anfertigung der Aufnahme beschleunigen, als auch die Dosis für die Patienten reduzieren können. Seit 2023 verfügen die MRT-Scanner des BwKrhs Berlin über eine umfassende KI-Unterstützung bei der Bildakquisition, die zum einen die Bildgebung erheblich beschleunigt, zum anderen auch die Auflösung der MRT-Aufnahmen signifikant verbessert.

Bewertung der bisherigen Erfahrung am BwKrhs Berlin

Mithilfe einer Literaturrecherche in den wissenschaftlichen Datenbanken (pubmed, Google Scholar) wurde der aktuelle Stand der Wissenschaft zum Themengebiet KI in der Radiologie mit den Erfahrungen aus der Implementierung von KI-Applikationen am BwKrhs Berlin abge­glichen. Im Rahmen der Einführung von KI in der Abteilung Radiologie wurden retrospektive und prospektive Erhebungen zur Validierung der Applikationen durchgeführt, die statistisch deskriptiv ausgewertet wurden.

Einsatzmöglichkeiten von KI in der Radiologie

Ein Großteil der erhältlichen KI-Systeme in der Radiologie übernimmt interpretierende, d. h. diagnostische Aufgaben [31], wie z. B. die Mustererkennung. Nicht interpretierende Aufgaben sind die schon erwähnten KI-Programme zur Dosisreduktion und Nachverarbeitung, aber auch zur Patientenpositionierung im Untersuchungsgerät und zur Worklist-Priorisierung [31]; letztere Anwendungen sind jedoch meist mit diagnostischen Funktionen kombiniert. Hirnblutungen, Gefäßverschlüsse oder Blutgerinnsel der Lungenarterien werden erkannt, markiert und die Befundung wird priorisiert, da ein pathologisch erkannter Befund in der Worklist des Radiologen gekennzeichnet wird [18][39]. Somit eignet sich diese KI zur Effizienzverbesserung im Sinne eines verbesserten Workflows und einer kürzeren Befundungszeit, aber auch zur früheren Krankheitserkennung und zur verbesserten diagnostischen Genauigkeit (Abbildung 1). Workflowverbesserungen können z. B. Unterstützung bei der Terminplanung, automatisierte Informationen via Textnachrichten für Patienten zur Terminsicherung und Extrapolation von Untersuchungszeiten sein [35].

Abb. 1: Einsatzmöglichkeiten für KI in der Radiologie. (Quelle: eigene Darstellung, modifiziert nach van Leeuwen et al. [35])

Die MT-R werden durch KI-unterstützte Festlegung von Scanbereichen, der Planung der Untersuchungsebenen und ihrer Nachverarbeitung unterstützt [17]. MT-R steht für Medizinische/r Technologe/-in für Radiologie und ist die neue Bezeichnung für den früheren Beruf des Medizinisch-Technischen Radiologieassistenten (MTRA) seit dem MTA-Reformgesetz. KI-gestützte Aufnahme und Nachverarbeitung der Untersuchungsbilder führen zu sehr guter Bildqualität, exzellenter Detailschärfe und natürlichem Bildkontrast bei reduzierter Dosierung [37]. Wie dargestellt betreffen KI-Anwendungsmöglichkeiten sowohl das ärztliche Personal als auch die medizinischen Technologen für Radiologie und das Unterstützungspersonal. Die Anwendung von KI in der Radiologie kann nicht nur eine personalisierte, patientenorientierte und hochdifferenzierte Diagnosestellung ermöglichen, sondern auch zur erhöhten Patientensicherheit bei möglichst geringer Strahlendosis und zum verbesserten radiologischen Workflow beitragen [37].

KI-Installationen bedürfen einer aufwändigen Einführung. Sowohl bei interpretierenden als auch bei nicht interpretierenden Anwendungen müssen nicht nur die Applikationen installiert, sondern auch Änderungen der Untersuchungsprogramme, des Arbeitsablaufs und Regeln für das Bildarchiv zur Weiterleitung von Bilddaten definiert werden. Die Applikationen müssen dann entsprechend konfiguriert und retro- sowie prospektiv mit eigenen Daten evaluiert und korrigiert werden.

Für die Bundeswehr kommen aus Gründen der militärischen Sicherheit nur Systeme in Betracht, die die Daten lokal verarbeiten. Cloudbasierte Systeme sind, auch in Bezug auf die Ausfallsicherheit, abzulehnen und nicht zu genehmigen. Auf den Markt der KI drängen derzeit unzählige Hersteller. Die Applikationen besitzen bedauerlicherweise oft eine niedrige klinische Evidenz. Die Website AI for Radiology listet hierzu, Stand August 2025, 265 erwerbbare Anwendungen sowie deren Zulassungsstudien und Zertifikate (z. B. CE, FDA) auf und ermöglicht hierzu eine Einschätzung [34][36].

KI in der radiologischen Diagnostik

Der Begriff Künstliche Intelligenz (KI) beschreibt in der radiologischen Diagnostik in der Regel „Machine Learning“, also eine Mustererkennung, geschult aus existierenden Daten. Die Algorithmen visualisieren hierbei den pathologischen Befund, dienen aber auch der Priorisierung der Befundung, indem als pathologisch detektierte Studien in den Arbeitslisten im Bildarchiv oder Radiologie-Informationssystem bereits markiert werden. Eine große Hoffnung wird in die Radionomics gesetzt. Hier werden Charakteristiken einer Aufnahme mittels Machine Learning analysiert, die mit dem menschlichen Auge nur schwer fassbar sind. Hier besteht die Hoffnung, auf histologische Probenentnahmen in der Zukunft verzichten zu können. Das präklinische Stadium haben diese Anwendungen jedoch noch nicht verlassen (Abbildung 2).

Abb. 2: Patient mit Grenzzoneninfarkt frontal links und beginnender hämorrhagischer Infarzierung: Die eingebluteten Areale wurden auch bei geringer Blutmenge zuverlässig markiert, die Berechnungszeit lag unter 2 Minuten.

Kommerziell verfügbare Produkte können z. B. Hirnblutungen oder Lungenembolien erkennen, Schlaganfälle auswerten oder Frakturen erkennen. Eine Applikation kann z. B. auch die Läsionslast bei Multiple-Sklerose-Patienten quantifizieren, was eine Verlaufsbeurteilung erleichtert [17]. Bei einer Anwendung zur Unterstützung des Brustkrebsscreenings konnte die künstliche Intelligenz bereits jetzt falsch positive und falsch negative Befunde besser als erfahrene Befunder erkennen und damit die Arbeitslast des Zweitbefunders um 88 % senken [22]. Sowohl auf der Seite der Anfertigung der Aufnahmen als auch auf der Seite der Befundung sind zeitnah weitere Anwendungen zu erwarten.

Die neuen Techniken wie das Photon Counting-CT, die neben praktisch rauschfreien hochauflösenden dünnschichtigen Bildaufnahmen auch noch mehrere analysierbare Energiestufen bieten, führen zu mehreren 10 000 Bildern pro Untersuchung und ermöglichen zudem eine Gewebedifferenzierung [7]. Ohne KI sind diese Bildmengen kaum noch zu bewältigen.

Für den AI-Manager übernimmt die Firma Blackford Analysis, Vereinigtes Königreich, die seit kurzem zum Bayer-Konzern gehört, den Vertrieb, die Installation und betreut die Evaluation der einzelnen Applikationen; Stand August 2025 sind hier 92 Anwendungen verfügbar [34].

Das BwKrhs Berlin verfügt nun über eine Applikation des französischen Herstellers Avicenna, Frankreich, zur Detektion von Hirnblutungen in nativen CT-Untersuchungen des Kopfes, zur Darstellung von Gefäßverschlüssen in CT-Kopf-/Halsangiographien und zum Nachweis von Lungenembolien (Abbildungen 3 und 4). Die in den Studien vorbeschriebene eindrucksvolle Genauigkeit konnte in retro- und prospektiven Untersuchungen auch im BwKrhs Berlin im Rahmen der Einführung belegt werden [11][23][33].

 

Abb. 3: Patient mit akuter Hemiparese links und NIHHS1 > 6. Bei schlechtem arteriellem Kontrast aufgrund von hämodynamisch relevantem Vorhofflimmern erkennt die KI den Verschluss der A. cerebri media rechts im M2-Segment. Media-Trifurkation bds. als Anlagevariante (bei ca. 10 % der Bevölkerung). Der Patient wurde einer Thrombektomie zugeführt. Berechnungszeit unter 2 Minuten.


1 NIHHS steht für National Institutes of Health Stroke Scale, ein standardisiertes Bewertungssystem zur Einschätzung des Schweregrades eines Schlaganfalls. Sie umfasst 11 Items, die neurologische Funktionen wie Bewusstsein, Sehvermögen und Motorik bewerten und daraus einen Gesamtscore zwischen 0 und 42 bilden. Ein höherer NIHSS-Wert deutet auf einen schwereren Schlaganfall hin, und die Skala wird zur Überwachung des Zustands des Patienten sowie zur Entscheidungsfindung über die Behandlung eingesetzt.

Abb. 4: Markierung einer Lungenarterienembolie bei Rechtsherzbelastung und entsprechend eingeschränkter Herzkreislaufzeit: Die hohe Thrombuslast wird zuverlässig markiert. Die Berechnung erforderte weniger als zwei Minuten

Des Weiteren wurde eine Anwendung zur Analyse von Röntgenbildern des Achsenskeletts mit Ausnahme des Schädels und der HWS der Firma Gleamer, Frankreich, eingeführt. Die Applikation ist in der Lage, Frakturen ab dem 18. Lebensjahr, Gelenkergüsse und Dislokationen von Gelenken zu detektieren. Ärzte mit KI arbeiten hier schneller und übersehen weniger Frakturen [1][12] (Abbildungen 5 und 6).

Abb. 5: Detektion einer Claviculafraktur und begleitender Rippenfrakturen (linkes Bild): Begleitverletzungen am Bildrand und bei führender Klinik im Bereich der Schulterregion können leicht übersehen werden. Darstellung einer Schultergelenkluxation (rechtes Bild); die Berechnungszeit betrug jeweils weniger als 2 Minuten.

Abb. 6: Markierung eines Gelenkergusses im Vergleich zur MRT als Hinweis auf einen Gelenkbinnenschaden im Röntgenbild; Berechnungszeit unter 2 Minuten.

Das BwKrhs Berlin führt für das Drehkreuz Nord das Tuberkulose-Screening durch. Insbesondere die Oberfelder der Lunge sind oft schwierig zu beurteilen, da knöcherne Strukturen hier die Lungenspitzen überlagern. Die Firma Riverrain aus den USA bietet hierzu eine Anwendung an, die die Röntgenaufnahmen des Thorax in knöcherne und nicht knöcherne Strukturen trennt. Eine Thoraxuntersuchung enthält dann zusätzlich ein virtuelles Bild ohne knöcherne Strukturen und ein Bild des Achsenskeletts. Rundstrukturen werden signifikant seltener übersehen [8] (Abbildung 7).

 

Abb. 7: Rundherd (Pfeil) im Unterfeld links und Darstellung in der Thoraxsubtraktion sowie Vergleich mit einer CT des Thorax: A) Ausgangsbild, (B) Subtraktion der knöchernen Strukturen, (C) Subtraktion der Weichteilstrukturen, (D) CT. Die Berechnung erfolgte in weniger als 2 Minuten.

Im August haben wir mit der Einführung einer KI-Anwendung zur Analyse von Prostata-MRT-Untersuchungen auf Hinweise für Prostatakarzinom begonnen. Multiparametrische Prostata-MRTs eignen sich besonders hierfür durch ihre hohe Standardisierung in Bildakquisition und Auswertung. Die Applikation ist in der Lage, nicht nur das Prostatavolumen und karzinomverdächtige Läsionen zu erkennen, sondern auch die klinische Relevanz (Aggressivität von Tumoren) einzuschätzen [9] (Abbildung 8).

 

Abb. 8: KI-gestützte Erkennung einer karzinomverdächtigen Läsion der Prostata, Einschätzung der klinischen Relevanz mittels PI-Score und Volumetrie.(Quelle: Lucida Medical, mit freundlicher Genehmigung)

Derzeit befinden wir uns in der Installations- und Testphase. Im Anschluss werden wir eine retrospektive Evaluation mit bereits vorliegenden MRT der Prostata anschließen. Dabei werden wir die Ergebnisse mit den bereits stattgefundenen Biopsien abgleichen. Bei positiver Evaluation folgt dann die prospektive Evaluation.

KI in der Bildakquisition

Die Vorhersage von genauen Akquisitionszeiten ist oft schwierig. Unruhige Patienten führen zu Bewegungsartefakten bei Untersuchungen mit dem Resultat der Sequenz- bzw. der Untersuchungswiederholung. Nicht korrekt eingelegte Untersuchungsebenen schränken die Vergleichbarkeit von Untersuchungen ein und können ebenfalls ergänzende Aufnahmen erfordern.

KI-Systeme sind in der Lage, die Qualität der Bilddaten durch Rauschunterdrückung zu verbessern und Aufnahmen mit eingeschränkter Bildqualität durch Atemartefakte mittels „Deep Learning“-Algorithmen so zu verbessern, dass eine Auswertung möglich ist [24][31]. In modernen CT-Scannern beschleunigen KI-unterstützte Assistenzsysteme den MT-R bei seiner Arbeit, indem die Scanbereiche für bestimmte Untersuchungsregionen bereits vorgeschlagen werden mit dem Ergebnis, dass die Untersuchungsbereiche komplett und möglichst strahlungsarm erfasst werden [17]. Ergänzende, zeitaufwändige und dosisintensive Zusatzscans werden so vermieden. Kamerasysteme positionieren den Patienten optimal und reduzieren hierdurch die Dosis.

KI-Systeme finden sich auch im Bereich der MRT. Hier wird bei fortschrittlichen MRT-Scannern die Untersuchungsplanung insoweit unterstützt, dass die Planung der Untersuchungsebenen automatisiert vorgeschlagen wird [17]. Hieraus resultiert eine hohe Vergleichbarkeit, ergänzende Sequenzen werden vermieden. Die Nachverarbeitung der akquirierten Bilddaten mit Rekonstruktion zusätzlicher Bildebenen oder Oberflächendarstellungen, Funktionsanalysen und Quantifizierungen ist sehr zeitaufwändig [17]. Hier sind ebenfalls KI-assistierte Workstations verfügbar.

In der kardiovaskulären Bildgebung, in der die Nachverarbeitung meist länger als die eigentliche Untersuchung dauert, kann KI Kosten reduzieren, indem die Bildakquisition assistiert, die Bildnachverarbeitung automatisiert und beschleunigt sowie die Diagnosestellung erleichtert werden [6]. Die Verkürzung der Untersuchung sowie die höhere Planbarkeit ermöglichen eine bessere Auslastung der Großgeräte und verlässlichere Terminplanung mit der Folge von kürzeren direkten und indirekten Wartezeiten.

Die beiden MRT am Standort Berlin verfügen über eine KI basierte Beschleunigungstechnik, die sowohl bis zu 3-mal kürzere Untersuchungszeiten als auch eine bis zu 65 % höhere Auflösung ermöglichen. Kürzere Untersuchungszeiten bedeuten einen höheren Patientenkomfort, weniger Bewegungsartefakte und dadurch besser auswertbare Untersuchungen.

Die 2025 neu installierten Röntgengeräte der Firma Siemens verfügen über „Auto Thorax Kollimation“ zur Einstellungsunterstützung. Das Untersuchungsfeld wird, KI-basiert, automatisch eingeblendet. Hierdurch kann die Untersuchungszeit für eine Röntgenuntersuchung laut Hersteller um bis zu 28 % reduziert und aufgrund der korrekten Einblendung der Dosis eingespart werden.

KI in der Administration

Im Fachgebiet der Radiologie erfolgt nicht nur die Bildakquisition in den meisten Fällen digital, sondern auch die Administration und Befundung sowie die Befundweiterleitung [27]. KI-assistierte Abrechnung, KI-unterstützte Befunderstellung und Terminplanung zählen zu nicht interpretierenden KI-Applikationen [31], die in ein Radiologie-Informationssystem (RIS) integriert werden können.

Moderne RIS dienen der Terminplanung und Administration der Patienten sowie der Erfassung der Strahlendosis und der Befunderstellung. Die Terminvergabefunktion in RIS unterstützt die Mitarbeiter radiologischer Einrichtungen, indem für bestimmte Untersuchungen Durchschnittszeiten hinterlegt wurden, das Programm den nächsten freien Termin anzeigt und vorschlägt, welche Untersuchungen an welchen Zeitpunkten und Standorten durchgeführt werden können. Hierdurch gelangen in einer Untersuchung eine Beschleunigung des Vorgangs der Terminierung, eine höhere Auslastung der Untersuchungsgeräte, verbesserter Personaleinsatz und kürzere Wartezeiten [14].

Eine KI-Unterstützung der Terminierung kann in drei Bereichen identifiziert werden:

  • Terminplanung mit optimaler Geräteauslastung,
  • Kalkulation von „Patient no-Shows“, das Nichterscheinen zu einem Termin, und
  • Verspätungen sowie Vorhersagen der Untersuchungsdauer [38].

Für eine optimale Auslastung wird der bisher statische Algorithmus der Terminplanung, der sich aus der erfahrungsgemäßen Dauer der Untersuchung, der Verfügbarkeit der Großgeräte sowie der Wahrscheinlichkeit der Anforderung zusammensetzt [38] mit einer KI-gestützten Modellierung der Ressourcenzuweisung und Untersuchungssortierung ergänzt [3]. So kann eine KI die Zeit einer MRT-Untersuchung anhand der Fragestellung modellieren, das geeignete Untersuchungsgerät auswählen und das optimale Zeitfenster vorschlagen. Des Weiteren kann eine KI bei MRT-Untersuchungen häufige Spulenwechsel, das sind Umbauten am Gerät bei Untersuchungen unterschiedlicher Körperregionen, vermeiden, indem mehrere Untersuchungen der gleichen Körperregion gruppiert werden.

Die Berechnung von „Patient-no-Shows“ und die Vorhersage von zu erwartenden Verspätungen können die Auslastung ebenfalls verbessern. In einer Untersuchung von Chong et al. 2020 konnte mit der Einführung einer KI die Ausfallrate von 19,3 % auf 15,9 % gesenkt werden. Als Risikofaktoren konnten insbesondere das Patientenalter, die Wartezeit auf einen Untersuchungstermin und die Anzahl der Terminumbuchungen identifiziert werden und im geringen Ausmaß das Geschlecht, der Wohnort, Termine an bestimmten Wochentagen und bestimmte Zuweiser [2]. Die Zusendung einer Textnachricht zwei Tage vor dem Termin einer MRT-Untersuchung konnte in einer Studie die „Patient-no-Show“-Rate in einer Einrichtung um 25 % senken und hierdurch die Auslastung optimieren [21].

Ein KI-unterstütztes Informationssystem über das Mobilfunknetz kann die Wartezeit verkürzen, indem den Patienten „Realtime“-Informationen zum Zeitpunkt ihres Termins bei Verzögerungen oder Ausfällen von Terminen in der Klinik oder Praxis zur Verfügung gestellt werden [3].

Das KI-System der Firma General Electric, USA, verarbeitet Patienteninformationen mit Wetterdaten und weiteren Einflussfaktoren wie Wohnort bzw. Anreisezeit, um eine Wahrscheinlichkeit für „Patient-no-Shows“ sowie einen 5-Tage-Ausblick zu kalkulieren. Bei hohem Ausfallrisiko kann eine Doppelvergabe von Terminfenstern ­sinnvoll sein, um eine hohe Geräteauslastung zu ermöglichen. Je nach Patientenprofil kann eine frühere Einbestellung des Patienten das Verspätungsrisiko reduzieren, was aber mit höherer direkter Wartezeit einhergeht.

KI-Lösungen für administrative Tätigkeiten sind im BwKrhs Berlin noch nicht umgesetzt und zumindest nicht in der kurz- und mittelfristigen Planung. Im Rahmen begrenzter Ressourcen, insbesondere auf personeller Seite, im Gesundheitswesen und auch im Sanitätsdienst, sind diese jedoch langfristig in Betracht zu ziehen.

Fazit und militärischer Nutzen

Der Nutzen von künstlicher Intelligenz erreicht neben rein medizinischen Gesichtspunkten auch die Wehrmedizin. Als Schlüsselapplikationen werden hier Anwendungen zur Effizienzsteigerung und zur Entscheidungsunterstützung, zur Triage bzw. Priorisierung, zur personellen und logistischen Führungsunterstützung und zum Gesundheitsmonitoring benannt [20]. Gerade beim Massenanfall an Verwundeten (MASCAL) ist hier ein Nutzen erkennbar, insbesondere bei der Befundpriorisierung und Markierung pathologischer Befunde. KI führt zu schnellerer Diagnosefindung [4][32].

Besonders jüngere Patienten profitieren von Anwendungen zur Dosisreduktion, die verbesserte Bildqualität nutzt allen.

Der militärische Einsatz von KI ist mit Risiken verbunden. Machine-Learning-Systeme mit unpassenden Trainingssätzen führen zu fehlerbehafteten Ergebnissen. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine demonstriert tagtäglich die Verletzlichkeit der kritischen Infrastruktur durch Cyberangriffe im Rahmen asymmetrischer Angriffe. Die Systeme müssen entsprechend resilient gestaltet und an militärische Anforderungen angepasst werden [26][28].

Des Weiteren müssen im Rahmen der Aus- und Weiterbildung Kenntnisse zur KI im (wehr-)medizinischen Setting, Stärken und Schwächen dieser Techniken vermittelt werden, da die Systeme zwar leistungsstark, aber nicht unfehlbar sind [29]. KI bei interpretierenden Systemen darf nicht als Erst-, sondern als supportive Zweitmeinung angewendet werden. Durch den Einsatz von KI kann der Aufenthalt in Notaufnahmen verkürzt und das Outcome verbessert werden [13][16]. Kleine vorgelagerte medizinische Einheiten mit Röntgenfähigkeit, ohne Facharzt für Radiologie, können hiervon profitieren [5][28].

Kernaussagen

  • Künstliche Intelligenz in der Radiologie dient zur Entscheidungsunterstützung sowie Triage und Priorisierung.
  • Künstliche Intelligenz erhöht die Patientensicherheit und Bildqualität.
  • Künstliche Intelligenz kann die Auslastung und Effizienz radiologischer Untersuchungen erhöhen.
  • Künstliche Intelligenz ist eine unterstützende, nicht eine ersetzende Technologie.

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Bildquellen: alle Abteilung für Radiologie, BwKrhs Berlin. Ausnahme gekennzeichnet.

Erklärung zum Interessenkonflikt

Die Verfasserinnen und Verfasser erklären, dass keine Interessenkonflikte im Sinne der Vorgaben des International Committee of Medical Journal Editors bestehen.

WMM 2025–69(12)524A

Manuskriptdaten

Zitierweise

Schneider TP, Pecher H, Preiß M, Tillmann AM. Künstliche Intelligenz in der Radiologie: Erste Erfahrungen aus dem Bundeswehrkrankenhaus Berlin. WMM 2025;69(12):517-524.

DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-788

Für die Verfasser

Flottillenarzt Dr. Tobias Peter Schneider, MBA

Abteilung VIII – Radiologie

Bundeswehrkrankenhaus Berlin

Scharnhorststraße 13, 10115, Berlin

E-Mail: tobiasschneider@bundeswehr.org

Manuscript Data

Citation

Schneider TP, Pecher H, Preiß M, Tillmann AM. [Artificial Intelligence in Radiology: Initial Experiences at the Bundeswehr Hospital Berlin]. WMM 2025;69(12):517-524.

DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-788

For the Authors

Commander (Navy MC) Dr. Tobias Peter Schneider, MBA

Department of Radiology,

Bundeswehr Hospital Berlin

Scharnhorststraße 13, D-10115, Berlin

E-Mail: tobiasschneider@bundeswehr.org

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