Zusammenfassung der SOF Medic Meeting-Vorträge der CMC-Conference 2. und 3. Juli 2025
Stefan Kühna, Florent Jossea,b
a Department für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie – Bundeswehrkrankenhaus Ulm
b Arbeitskreis Taktische Medizinder Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie, Bonn
1. Session – SOF Medic Meeting
UK Adoption of TCCC, Programme BLACKTHORN
Pete Hale (UK)
Colonel Pete Hale, Royal Army Medical Corps, präsentiert mit dem Programm BLACKTHORN die britische Strategie zur flächendeckenden Einführung von Tactical Combat Casualty Care (TCCC).
Der Wandel vom COIN-Ansatz (Counter Insurgency) zu Large-Scale Combat Operations (LSCO) erfordert eine robustere, dezentralere Verwundetenversorgung an der Front. Die britischen Streitkräfte hinken bei TCCC im Vergleich zu NATO-Partnern hinterher. Besonders deutlich wurde das, als die Ukraine das britische System ablehnte. BLACKTHORN zielt darauf ab, die medizinische Leistungsfähigkeit durch eine verbesserte Ausbildung in den Bereichen Air-to-Surface Missile (ASM), Combat Lifesaver Course (CLS) sowie Combat Medical Care (CMC) und modernisierte Ausrüstung (z. B. individuelle First Aid Kits, Blutprodukte) zu steigern. Dabei spielen die Spezialkräfte (SOF) eine Vorreiterrolle und dienen als Impulsgeber für die konventionellen Truppen.
Das Programm soll in allen Domänen (Land, Luft, See) greifen und durch Standardisierung Effizienz und Interoperabilität ermöglichen. Die Umstellung soll nicht nur innovativ, sondern auch dauerhaft im Regelbetrieb verankert werden.
Key Messages
- Die britische Armee führt mit BLACKTHORN flächendeckend TCCC ein, um ihre Verwundetenversorgung auf den Standard internationaler Partner zu bringen.
- Der Wechsel von COIN zu LSCO erfordert mehr medizinische Kapazität an der Front sowie vereinfachte, interoperable Strukturen.
- Spezialkräfte dienen als Vorbild, um einfache, effektive TCCC-Maßnahmen in das gesamte Verteidigungssystem zu übertragen.
„NSOCM“ DEU – Implementation and Operational Lessons
Meryem Gözalan (DEU)
Der Vortrag von Oberstabsarzt Meryem Gözalan, Bundeswehrkrankenhaus Ulm, berichtet über den Pilotkurs NATO Special Operations Combat Medics (NSOCM DEU), ein strategisches medizinisches Ausbildungsprogramm für deutsche Spezialkräfte. Ziel ist es, eine NATO-kompatible medizinische Qualifikation für nicht-medizinisches SOF-Personal zu schaffen, die auch den rechtlichen Anforderungen Deutschlands entspricht.
Der Kurs integriert die zivile Rettungssanitäterausbildung (nach bayerischem Recht) mit taktischer Ausbildung in TCCC, Prolonged Field Care und Bluttransfusion. Die Ausbildung umfasst fünf Module über 24 Wochen, darunter Theorie, klinische Rotationen, taktische Szenarien und eine staatliche Prüfung in München. Herausforderungen liegen in der Integration deutscher Gesetzgebung, personellen Engpässen und begrenzten Übungszeiten. Der Kurs konnte erfolgreich hochqualifizierte SOF-Medics hervorbringen, die sowohl zivil als auch militärisch einsetzbar sind. Eine dauerhafte Etablierung als Kernfähigkeit der Bundeswehr wird angestrebt.
Key Messages
- NSOCM DEU schließt eine strategische Fähigkeitslücke im medizinischen Bereich der Spezialkräfte unter Berücksichtigung deutscher und NATO-Standards.
- Die Ausbildung kombiniert zivile Qualifikation (Rettungssanitäter) mit einsatzrelevanter medizinischer Sofortversorgung (TCCC, PFC).
- Der Pilotkurs zeigte hohe Wirksamkeit, aber auch Optimierungsbedarf, etwa bei Übungsdauer und Ressourcen – eine dauerhafte Integration ist geplant.
Experience of a Paramedic at the Frontlines in UKRAINE
Michael Schumacher (DEU)
Der Vortrag von Michael Schumacher, einem erfahrenen Feuerwehrmann und Sanitäter, beschreibt seine Erfahrungen als Combat Medic im Ukrainekrieg. Er war an der medizinischen Versorgung von Verletzten an den Frontlinien in Pokrowsk und Lyman verantwortlich und führte Case Evacuation (CASEVAC)-Einsätze sowie Schulungen verschiedener Brigaden durch.
Die meisten Verletzungen sind durch Explosionen verursacht, wobei in ca. 90 % der Fälle die Extremitäten betroffen sind und etwa 60 % Polytraumata mit Schädel-Hirn-Beteiligung vorliegen. Viele Folgeschäden entstehen durch unsachgemäße Anwendung von medizinischem Equipment wie Tourniquets oder Wärmedecken. Der Weitertransport (CASEVAC) unter Kriegsbedingungen ist durch Drohnenüberwachung, schlechte Straßen und lange Evakuierungswege massiv erschwert. Das aktuelle medizinische Setup ist schwer (über 40 kg), und Evakuierungen über 8–10 km sind in manchen Gebieten zu Fuß notwendig.
Schumacher fordert bessere Ausbildung, mehr Ausrüstung, stärkeren Schutz vor Drohnen und Kooperation zwischen zivilen und militärischen Strukturen.
Key Messages
- Verletzungsmuster: Ca. 90 % Extremitäten; 60 % Polytraumata mit Schädel-Hirn-Trauma; 87 % Gesichtsverletzungen durch Explosionen.
- Herausforderungen bei CASEVAC: Drohnen, elektronische Kriegsführung und schlechte Infrastruktur erschweren Evakuierungen massiv; medizinisches Personal braucht mehr Zeit und Ausrüstung.
- Fehlanwendungen und Ausrüstungsprobleme: Viele Folgeschäden durch falschen Einsatz von Tourniquets oder Wärmedecken; Amputationen oft Folge von falscher Anwendung, zu späte oder keine Konversion eines bereits etablierten Tourniquets
- Forderungen für die Zukunft: Mehr und längere Ausbildung aller Soldaten, intensivere zivile Praktika, bessere Schutzausrüstung, Anti-Drohnen-Systeme und enge zivile-militärische Zusammenarbeit.
SOFCOM MEDAD/JMED-Update
Mathieu David (FRA)/Tom Sharp (UK)
Die Spezialoperationskräfte (Special Operations Forces, SOF) der NATO benötigen einheitliche medizinische Standards, um multinationale Einsätze effizient und interoperabel zu gestalten. Das SOFCOM Medical Directorate (MEDAD/JMED) koordiniert medizinische Ausbildungs- und Entwicklungsprogramme innerhalb der NATO-SOF-Strukturen.
In den letzten zwölf Monaten wurden zahlreiche Kurse wie TCCC, SOST und Medical Instructor Development in verschiedenen NATO-Ländern durchgeführt. Zentrale Standards wie SOFCOM 75.001 (Mindestanforderungen) und 75.002 (Zertifizierung) bilden die Grundlage für die Ausbildung von Combat Medics und Surgical Teams. Die Entwicklung nationaler Kapazitäten, wie z. B. in Lettland, zeigt den erfolgreichen Aufbau von TCCC-Kompetenz durch multinationale Unterstützung.
Für die nächsten zwölf Monate sind weitere Kurse, Trainings und operative Übungen wie „Bold Adra“ geplant, bei denen reale Herausforderungen (z. B. durch Drohnen oder A2AD-Bedrohungen) simuliert werden. Anti-Access Area Denial (A2AD) ist die Fähigkeit, gegnerischen Einheiten zu Lande, zu Wasser und in der Luft den Zugang und/oder die Bewegungsfreiheit in einem ausgewählten Operationsgebiet mit militärischen Mitteln zu versagen, mindestens aber zu erschweren.
Ziel bleibt der Aufbau robuster, interoperabler medizinischer Fähigkeiten im SOF-Bereich, insbesondere in Hinblick auf moderne Kriegsführung und verlängerte Evakuierungszeiten.
Key Messages
- Einheitliche Standards: SOFCOM hat mit den Richtlinien 75.001 und 75.002 einheitliche Mindeststandards und ein Zertifizierungssystem für NATO-SOF-Medizin etabliert.
- Ausbildung und Entwicklung: Zahlreiche spezialisierte Kurse (z. B. TCCC, SOST, SOMID) werden jährlich NATO-weit durchgeführt, um medizinische Einsatzbereitschaft zu stärken.
- Multinationale Zusammenarbeit: Der Aufbau nationaler Kapazitäten (z. B. in Lettland) zeigt den Erfolg internationaler Ausbildungsunterstützung und zivil-militärischer Kooperation.
- Zielsetzung: Aufbau und Sicherung von interoperabler, widerstandsfähiger medizinischer Versorgung im SOF-Bereich
Swedish Air Force Rangers – New Patrol Medic Course
Pierre Ströhberg (SWE)
Die schwedischen Luftwaffen-Ranger haben einen eigenen 35-wöchigen Patrol Medic Course entwickelt, um den spezifischen Anforderungen ihrer Einheit gerecht zu werden. Der Kurs besteht aus einem 20-wöchigen akademischen Teil mit Anatomie, Pathophysiologie und Pharmakologie sowie einem praktischen Teil innerhalb der Einheit.
Der medizinische Fokus liegt auf TCCC, PHTLS, MASCAL und Prolonged Field Care mit besonderer Berücksichtigung von kaltem Klima, Hypothermie und Patient Prolonged Care. Auch spezielle Module wie K9-Medizin, CBRN-MARCH und Umweltmedizin sind integriert. Höhepunkt ist die Übung „Ex Yoda“, bei der realitätsnah die Versorgung vom Verwundungsort bis zur chirurgischen Behandlung simuliert wird.
Eine Besonderheit ist die Kombination von veterinärmedizinischem Personal mit TCCC-Ausbildern zur besseren Ausbildung im K9-Bereich. Langfristig sind Weiterbildungen wie RN-Training, Ultraschall und improvisierte Medizin geplant, wobei die langfristige Fähigkeitserhaltung eine Herausforderung darstellt.
Key Messages
- Der schwedische Patrol Medic Course ist praxisnah, modular aufgebaut und speziell an die Bedürfnisse von Air Force Rangers angepasst.
- Breite Ausbildungsschwerpunkte reichen von TCCC, PHTLS und MASCAL bis hin zu K9-, CBRN- und Umweltmedizin.
- Finalübungen wie „Ex Yoda“ sowie interprofessionelle Ausbilderteams fördern realitätsnahe, einsatzbezogene Handlungskompetenz.
2.Session – SOF Medic Meeting
Ten Points for Improvised Medicine
Aebhric O´Kelly (US)
Der Vortrag von Aebhric O’Kelly, ehemaliger Critical Care Paramedic der „Green Berets“, handelt zehn zentrale Prinzipien der Improvisierten Medizin für den Einsatz in abgelegenen oder ressourcenarmen Umgebungen. Dabei werden einfache, vor Ort verfügbare Materialien genutzt, um lebensrettende Maßnahmen bei massivem Blutverlust, Atemwegsproblemen oder Kreislaufstillstand durchzuführen.
Beispiele umfassen improvisierte Tourniquets, Beckenschlingen aus Bettlaken, chirurgische Luftwege ohne Pen oder abgeschnittene Tuben, sowie selbstgebaute Thoraxpflaster mit vierseitiger Abdichtung. Weitere Techniken beinhalten Hypothermiewraps (inkl. Kopf!), rektale Flüssigkeitsgabe bei fehlendem i.v.-Zugang (Proctoclysis) und die Herstellung von Gipsverbänden mit Haushaltsmaterialien.
Ziel des Kurses ist es, unter dem HITMAN-Modell auch bei verzögerter Evakuierung (PFC) medizinisch handlungsfähig zu bleiben. Wichtig ist die korrekte Anwendung der Prinzipien („Wenn du durch das Röhrchen atmen kannst, kann der Patient das auch“) und das Beachten anatomischer Grundlagen.
Der Vortrag basierte auf den Ausbildungsstandards des College of Remote and Offshore Medicine (CoROM) und will praktische Umsetzbarkeit unter Extrembedingungen vermitteln.
Abb. 1: Zehn Prinzipien improvisierter Medizin bei fehlenden Ressourcen (Bild: Aebhric O´Kelly)
Key Messages
- Improvisierte Medizin kann mit einfachen Mitteln lebensrettende Maßnahmen in ressourcenarmen Situationen ermöglichen.
- Kritische Bereiche wie Blutstillung, Atemwegssicherung und Wärmeerhalt lassen sich effektiv improvisieren – mit klaren Regeln und Techniken.
- Ziel ist es, auch bei verzögerter Evakuierung oder unter taktischen Bedingungen (PFC) medizinisch stabil versorgen zu können.
Medical Simulation Training to Advance Trauma Training
Dan Irzarry (US)
Colonel (Retired) Dan Irzarry erörterte das Thema „Simulation im Rahmen des medizinischen Trainings“. Traumasimulation ist essenziell, da sie es ermöglicht, kritische Situationen mental und praktisch vorwegzunehmen – „Der Körper kann nicht hingehen, wo der Geist noch nie war“. Effektives Traumatraining erfordert realistische Umgebungen, präzises Feedback und Integration in den operativen Kontext.
Aktuelle Simulationen sind oft bequem, aber unrealistisch und fördern ineffektive Trainingsmuster ohne objektive Leistungsbewertung. Hochwertige militärische Simulationen müssen immersiv, mobil und leistungsbasiert sein sowie taktischen Mehrwert liefern. Trainingsinhalte reichen von TC3-Basics (z. B. Blutstillung, Atemwegssicherung) bis zu komplexen Szenarien wie Triage und Contingency Planning. Der Trainingsaufbau erfolgt stufenweise: von individuellen Fähigkeiten über Teamkoordination bis hin zu Entscheidungsfindung unter Druck. Simulationsplanung muss zielgruppenorientiert, realistisch und mit präzisem Debriefing erfolgen – bei geringen Kosten bietet sie einen unschätzbaren Nutzen im Einsatz.
Key Messages
- Realistische und taktisch integrierte Simulation rettet Leben durch besseres Entscheidungs- und Handlungstraining.
- Traumatraining muss schrittweise aufgebaut und teamorientiert sein, um Komplexität realistisch abzubilden.
- Die Investition in hochwertige Simulationstechnologie ist strategisch und wirtschaftlich sinnvoll.
3. Session – SOF Medic Meeting
Training Combat Medics under Wartime Conditions
Anna Kyrnychna (UKR)
Die Ausbildung von Combat Medics im Krieg ist geprägt von Mangel und Überforderung – es ist oft „zu viel und gleichzeitig nie genug“. Die größten Herausforderungen liegen in der Heterogenität der Menschen, der rigiden Ordnungssysteme und der Sicherheitslage. Zeit, Personal, wechselnde Bedingungen, Informationen, Ausbildung und Ausrüstung sind ständig begrenzt. Es erfordert kontinuierliche Anpassung an dynamische Umstände. Die Vortragende betont, dass jede Form von Hilfe wichtig ist – sowohl erhalten als auch geben. Flexibilität und Resilienz sind entscheidende Eigenschaften in der Ausbildung unter Kriegsbedingungen. Die Ausbildung muss möglichst viele erreichen, auch unter widrigsten Umständen.
Key Messages
- Kriegsausbildung bedeutet ständige Unterversorgung bei gleichzeitigem Übermaß an Herausforderungen.
- Menschliche Faktoren, starre Strukturen und Sicherheitsbedenken erschweren effektives Training.
- Erfolgreiches Handeln basiert auf Flexibilität, gegenseitiger Hilfe und eigenem Engagement zur Weiterbildung.
Taking Care in a Tropical Environment and in Jungle Operation. Experiences from the French Foreign Legion
Giovanni Cirincione (FRA)
Giovanni Cirincione, ein erfahrener Militärsanitäter der französischen Fremdenlegion, berichtet über medizinische Herausforderungen und Prävention im Dschungel.
Die Legion besteht aus Soldaten verschiedenster Nationalitäten und ist in Südamerika u. a. in der Minenbekämpfung und Raumfahrtsicherung aktiv. Besonders im Dschungel sind Hygiene, Fußpflege, Wasseraufbereitung und Schutz vor durch Mücken übertragene Krankheiten essenziell. Für typische Unfälle wie Ertrinken, Stürze durch Bäume, Hitzschlag oder Verletzungen durch Macheten werden gezielte Präventionsmaßnahmen vermittelt.
Wichtig ist auch, sich bei Verlust im Dschungel ruhig zu verhalten, Signale zu setzen und sich nicht unnötig zu bewegen. Die Ausrüstung sollte leicht, wasserdicht und funktional sein, um unter tropischen Bedingungen zu bestehen. Ziel ist es, durch richtige Vorbereitung und Verhalten schwerwiegende Gesundheitsgefahren im Dschungel zu vermeiden.
Key Messages
- Prävention ist der Schlüssel zu medizinischer Sicherheit im Dschungel: Hygiene, Fußpflege und Wasseraufbereitung retten Leben.
- Häufige Unfallgefahren lassen sich durch einfache Maßnahmen wie Basislagerinspektion, Schutzkleidung und Verhaltensregeln vermeiden.
- Leichte, wasserdichte Ausrüstung und mentales Durchhaltevermögen sind entscheidend für das Überleben in tropischen Einsatzgebieten.
K9TCCC in an Operational Environment-Human Healthcare Providers
Kerri Haider and Lauren Peacock (US)
Militärische Arbeitshunde (MWD) sind hochspezialisierte Einsatzkräfte, die unter extremen Bedingungen medizinisch versorgt werden müssen – häufig durch Humanmediziner. K9TCCC (Canine Tactical Combat Casualty Care) überträgt die Prinzipien der menschlichen TCCC auf Hunde und fokussiert sich auf lebensrettende, einfache und feldtaugliche Maßnahmen. Die Betreuung erfolgt entlang des M3ARCH2-Schemas, angepasst an physiologische Besonderheiten des Hundes (z. B. Temperatur, Atemfrequenz, Blutvolumen).
Besonders betont werden Aspekte wie Schmerzmanagement, Sedierung, Flüssigkeitsgabe und Wundversorgung unter Feldbedingungen. Prolongierte Versorgung umfasst Ernährung, Verbrennungspflege und Bluttransfusion mit ausschließlich tierischem Blut.
Die Integration von medizinischem Personal in die Versorgung verletzter MWD ohne veterinärmedizinische Ausbildung ist essenziell, da Veterinäre oft erst spät verfügbar sind. Umfangreiche Ressourcen, Guidelines und Apps wie DeployedMedicine.com sollen den Zugang zu Wissen erleichtern und die Überlebenschance der Tiere verbessern.
Abb. 2: Historie von K9TCCC (Bild: K. Haider)
Key Messages
- K9TCCC adaptiert TCCC-Prinzipien speziell für militärische Hunde und ist entscheidend für deren Überleben im Einsatz.
- Humanmediziner müssen auf K9-Notfälle vorbereitet sein, da tierärztliches Personal oft nicht sofort verfügbar ist.
- Ressourcen wie Leitlinien, Trainingsmaterialien und spezialisierte Apps sind zentral für erfolgreiche K9-Versorgung im Feld.
The Change in Trauma Patterns due to the Use of Thermobaric Weapons
Ishay Ostfeld (ISR)
Seit dem 7. Oktober 2023 befindet sich Israel in einem umfassenden Konflikt mit verschiedenen Gegnern wie Hamas, Hisbollah und iranischen Stellvertretern. Die Verwendung von Thermobarwaffen hat ein neues Trauma-Muster erzeugt, das sich deutlich von herkömmlichen Verletzungen unterscheidet.
Thermobarwaffen verursachen durch Hitze, Unterdruck und Sauerstoffverbrauch vor allem Verbrennungen, Inhalationstraumata sowie Lungen- und Hirnverletzungen. Besonders in geschlossenen Räumen führen diese Waffen zu hoher Letalität und schweren Folgezuständen wie PTSD und TBI. Klinische Daten zeigen einen Anstieg thorakaler Traumata, während klassische penetrierende Verletzungen abnehmen. Daraus ergeben sich neue Anforderungen an TCCC-Protokolle mit Fokus auf frühzeitige Atemwegssicherung, Sauerstoffgabe, Beatmung, Monitoring sowie Verbrennungsmanagement. Militärische und zivile Traumaversorgungssysteme müssen sich an diese veränderten Bedingungen anpassen.
Key Messages
- Thermobarwaffen erzeugen einzigartige Trauma-Muster mit Fokus auf Blast-, Verbrennungs- und Inhalationstraumata.
- Klassische TCCC-Modelle wie „Stop the Bleed“ reichen nicht mehr aus – neue Atemwegs- und Beatmungsstrategien sind erforderlich.
- Militärische und zivile Traumaversorgungssysteme müssen sich auf die zunehmende Verwendung thermobarer Waffen vorbereiten.
4.Session – SOF Medic Meeting
Moral Injuries: Hidden Wounds
Jennifer Spohrs (DEU)
Moral Injury (MI) beschreibt psychische Verletzungen, die durch Erlebnisse entstehen, welche das eigene Werte- und Moralverständnis tief erschüttern. Besonders betroffen sind Soldaten, die sogenannte „Potentially Morally Injurious Events“ (PMIEs) erleben, z. B. durch eigenes oder beobachtetes moralisch verletzendes Verhalten im Einsatz.
Studien zeigen, dass 80 % der aktiven Soldaten und bis zu 90 % der Veteranen mindestens ein MI-Symptom aufweisen. Häufige Symptome sind Schuld, Scham, Vertrauensverlust und das Gefühl innerer Entfremdung. Erfasst wird MI u. a. durch Instrumente wie den MIQ-M und die EMIS-M-Skala, ergänzt durch Fragebögen zu Traumabewertung und Entfremdung. Neue Methoden wie VR-basierte Exposition werden zur Diagnostik und Therapie diskutiert.
Die psychologische Versorgung in Militärkrankenhäusern muss MI gezielt berücksichtigen, um versteckte Wunden zu erkennen und zu behandeln.
Abb. 3: Moral Injury ist eine häufige und tiefgreifende psychische Belastung bei Soldaten und Veteranen (Bild: J. Spohrs)
Key Messages
- Moral Injury ist eine häufige und tiefgreifende psychische Belastung bei Soldaten und Veteranen.
- Schuld, Scham und Entfremdung sind zentrale Symptome, die oft übersehen werden.
- Standardisierte Fragebögen und innovative Methoden wie VR helfen bei der Identifikation und Behandlung moralischer Verletzungen.
When Do We Stop? Making the Transition to Palliative Care in the Irregular Warfare Surgical Setting
Jason R. Pickett (US)
In irregularen Kriegssituationen stellt sich oft die schwierige Frage, wann eine kurative Traumaversorgung in eine palliative Begleitung übergehen sollte. Besonders bei komplexen, nicht überlebensfähigen Verletzungen – wie retrohepatischen Blutungen, refraktärem Schock oder schwerer metabolischer Entgleisung – übersteigen die Kosten und Risiken der Maßnahmen ihren Nutzen.
Die Ressourcen im Einsatz (Blut, Flüssigkeiten, chirurgische Kapazität) sind stark limitiert und müssen verantwortungsvoll eingesetzt werden. Es besteht ein moralischer Druck, „alles zu tun“, doch das kann zu Erschöpfung des Teams, Logistiküberlastung und moralischer Verletzung führen. Palliative Begleitung ermöglicht es, Schmerzen, Angst und Atemnot zu lindern und würdevoll Abschied zu nehmen – auch im militärischen Kontext.
Die Kommunikation über einen Therapiewechsel erfordert Mut, Mitgefühl und abgestimmte Führung innerhalb des Teams. Ziel ist nicht das Aufgeben, sondern ein verantwortungsvoller Umgang mit nicht rettbaren Situationen.
Key Messages
- In aussichtslosen Fällen im Einsatz ist ein Übergang zur Palliativversorgung oft medizinisch und moralisch sinnvoll.
- Ressourcen im unregelmäßigen Kriegseinsatz sind begrenzt – eine aussichtslose Versorgung kann anderen schaden.
- Eine respektvolle, empathische Kommunikation ist entscheidend für einen würdevollen Abschied unter extremen Bedingungen.
Triage system: What Works when Tactics Play a Role
Julien Galant (FRA)
In taktischen Mass Casualty-Szenarien (MASCAL) müssen Triage-Systeme schnell, intuitiv und flexibel anwendbar sein. Ziel der Studie war es, die Wirkung von farbigen Armbändern auf die Triage-Leistung zu untersuchen – sowohl im Hinblick auf objektive Effizienz als auch subjektive Faktoren wie Stress und Selbstwirksamkeit.
Die Simulation mit 170 Teilnehmern und 1 680 Verletzten zeigte, dass Armbänder als einfache Triage- und Zählhilfen effektiv eingesetzt werden können. Komplexe, formale Algorithmen wurden in taktischen Lagen kaum angewendet, was den Bedarf an einfachen, praxisorientierten Tools unterstreicht. Besonders wichtig ist die Schulung von Ersthelfern, um intuitive Entscheidungen unter Stress zu ermöglichen.
Die Erkenntnisse basieren auf realitätsnahen Simulationen im militärischen Kontext (Level 2 Forward Combat Care). Insgesamt belegt die Studie, dass praktische, visuelle Hilfsmittel und gezieltes Training die Triage-Leistung deutlich verbessern können.
Abb. 4: Training und einfache Hilfsmittel wie farbige Armbänder verbessern die Triage-Leistung in taktischen Mascal-Situationen (Bild: J. Galant)
Key Messages
- Farbige Armbänder verbessern die Triage-Leistung in taktischen MASCAL-Situationen effektiv.
- Intuitive Entscheidungsfindung benötigt Training und einfache Hilfsmittel – nicht komplexe Algorithmen.
- Simulationen sind essenziell, um realistische Bedingungen für die Ausbildung von Ersthelfern zu schaffen.
Experience Gained during the Russian-Ukrainian War
10th Border Guard Detachment DOZOR (UKR)
Die Erfahrungen aus dem russisch-ukrainischen Krieg zeigen, wie stark sich medizinische Versorgung unter extremen Bedingungen verändern muss.
Winterbedingungen erschweren das Erkennen und Behandeln von Verletzungen, da Kleidung, Kälte und beengte Räume die Versorgung verlangsamen. Flüssigkeiten frieren ein, Fahrzeuge sind oft nur einmal einsetzbar, und Evakuierungen erfolgen häufig über mehrere Kilometer zu Fuß. Die klassische Trennung zwischen Care Under Fire und Tactical Field Care verschwimmt zunehmend. Bluttransfusionen sind lebensrettend, scheitern jedoch oft an Logistik, Ausrüstung, Personal oder Kälteketten. Standardisierte medizinische Rucksäcke reichen nicht mehr aus – es braucht multifunktionale Ausrüstung, die medizinisches und taktisches Material kombiniert.
In dieser Realität ist Anpassungsfähigkeit entscheidend: Selbstversorgung, Improvisation und dezentrales Handeln sind überlebenswichtig.
Key Messages
- Extrembedingungen wie Kälte, Platzmangel und fehlende Fahrzeuge verlangen flexible, improvisierte Versorgungskonzepte.
- Bluttransfusionen sind essenziell, aber oft an logistische Hürden gebunden.
- Die klare Trennung taktischer Versorgungsphasen löst sich auf – Prolonged Field Care beginnt oft direkt am Ort der Verletzung.
Für die Verfasser
Oberfeldarzt Dr. Stefan Kühn
Department für Anästhesie, Intensiv-, Notfallmedizin und Schmerztherapie
Bundeswehrkrankenhaus Ulm
Oberer Eselsberg 40, 89081 Ulm
E-Mail: stefankuehn@bundeswehr.org