Wehrmedizinische Monatsschrift

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Editorial
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Infektionsmedizin
Force Health Protection in der Landes- und Bündnisverteidigung:​ „Die hässlichen Fünf“ Erkrankungsgruppen – was ist zu tun?







Innere Medizin und Gastroenterologie
Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen bei Soldaten:​ Bestandsaufnahme und truppenärztliche Handlungsempfehlungen







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Therapeutische Endosonografie – Optionen und Fallbeispiele





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Kardiologie – Update mit wehrmedizinischem Ausblick


Innere Medizin und Pulmonologie
Pulmonale Raumforderung mit ungewöhnlicher Ursache

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Chronische Rhinosinusitis und Mikrobiota – warum der Darm die Nase krank macht



Wehrpharmazie
Optimierung der Patientenaufnahme durch Apothekerinnen und Apotheker am Bundeswehrkrankenhaus Hamburg




Wehrpharmazie
Künstliche Intelligenz als Teil der digitalen Zukunft der Wehrpharmazie





Krankenhausmanagement
„Physician Assistant (PA)“ – ein neues Berufsbild im Sanitätsdienst in der Bundeswehr



Krankenhausmanagement
Rotation in die Akademische Allgemeinmedizin – Hintergründe und erste Erfahrungen eines Pilotprojektes der Bundeswehr

Tagungen und Kongresse
Rekordteilnehmerzahl bei der CMC-Conference in Blaubeuren
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Oberstapotheker Arne Krappitz wird in den Ruhestand versetzt
Aus dem Sanitätsdienst
Oberfeldarzt Privatdozent Dr.​ Daniel Gagiannis erfolgreich habilitiert!
Mitteilungen der DGWMP e.​V.​
Geburtstage Oktober 2025
Editorial

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Sehr geehrte Leserin,
sehr geehrter Leser!

„Force Combat Readiness – Konservative Fächer im Wandel“ lautete das Motto der diesjährigen 7. Jahrestagung des Arbeitskreises konservativ tätiger Sanitätsoffiziere (ARKOS) und stellt damit auch die Leitidee zur Bewältigung künftiger Herausforderungen der konservativen Medizin in den deutschen Streitkräften dar.

Mit der Gründung des ARKOS im Jahr 2017 wurde ein Meilenstein zur wissenschaftlichen Weiterentwicklung der Versorgung unserer Soldatinnen und Soldaten im Grundbetrieb, aber auch im Gefechtsfeld gesetzt.

Die deutschen Streitkräfte und mit ihnen der Sanitätsdienst sehen sich derzeit einem durchgreifenden Wandel ausgesetzt. Es gilt, die zivile Krankenhausreform mit voranschreitender Fokussierung auf hochspezialisierte Leistungsgruppen zu denken, zeitgleich aber den Bedürfnissen der „Zeitenwende“ hin zu einer aufwachsenden und kriegstüchtigen Armee gerecht zu werden. Diese erfordert eine breite Fachkenntnis in Theorie und Praxis sowie eine differentialdiagnostische Kompetenz in nahezu allen Gebieten der Medizin, wobei sich der zivile Gesundheitssektor allerdings zu einer ausgeprägten Spezialisierung hinwendet.

Die Force Combat Readiness konservativer Fächer entsteht nicht erst auf dem Gefechtsfeld. Sie beginnt bereits in der truppenärztlichen Versorgung, in der Früherkennung und Stabilisierung chronischer Erkrankungen, aber auch in der Rehabilitation von Gesundheitsstörungen unserer Soldatinnen und Soldaten. Die konservativen Fächer sichern damit die Einsatz- und Regenerationsfähigkeit vor, während und nach dem Gefecht. Sie bilden den Anker medizinischer Grundversorgung. Konservative Expertise ist „highly combat relevant“, wissen wir doch, dass ein Großteil aller Ausfälle in kriegerischen Auseinandersetzungen durch DNBIs, also Disease and Non-Battle Injuries, hervorgerufen wird.

Diese Erkrankungsmuster gehen über die rein verletzungsbedingten Einschränkungen deutlich hinaus und adressieren exazerbierte chronische Erkrankungen, Infektionen und Auswirkungen umweltbedingter Einflüsse. Gern unterschätzt in der Planung, führen sie doch zu einem nicht unerheblichen Personalausfall. Im Gegensatz zur gut bekannten Rettungskette Schwerstverletzter dominiert bei den Erkrankungen aus den konservativen Fächern das Konzept „stay and play“. Durch breites differentialdiagnostisches Wissen, gute Diagnostik und beherztes Handeln lassen sich vor Ort Exazerbationen minimieren, Infektionen behandeln und Ausbrüche verhindern. Die Soldatinnen und Soldaten sind zeitnah wieder einsatzbereit und größere Ausfälle können verhindert werden.

ARKOS repräsentiert eine große und heterogen geprägte Gruppe an Sanitätsoffizieren mit einem umfassenden Fachwissen. Dieses Schwerpunktheft versucht, einen Überblick über die Relevanz und Bandbreite konservativer Militärmedizin zu geben und damit im besten Sinne die Kompetenz und den Wissensschatz dieser großen Gruppe an Sanitätsoffizieren zu repräsentieren.

Ich wünsche Ihnen allen viel Spaß und Inspiration bei der Lektüre dieses Schwerpunktheftes. Vor allem freue ich mich, möglichst viele von Ihnen im nächsten Jahr zur dann 8. ARKOS-Tagung vom 15.–17. Juni 2026 im Kloster Banz begrüßen zu dürfen.

Oberstarzt Dr. Nicole Müller

1. Vorsitzende des ARKOS

Infektionsmedizin PDF

Force Health Protection in der Landes- und Bündnisverteidigung: „Die hässlichen Fünf“ Erkrankungsgruppen – was ist zu tun?

Force Health Protection in National and Alliance Defense: „The UGLY FIVE” Disease Clusters – What should be done?

Katalyn Roßmanna, Nino Neumannb, Sebastian Albrechta, Dorothea Wiemerc, Dimitrios Frangoulidisa

a Sanitätsakademie der Bundeswehr, Direktorat Wissenschaft Gesundheitsversorgung der Bundeswehr – Abteilung H/MI2/Surveillance/MN FHP Nexus

b Klinik für Innere Medizin–Fachbereich Infektiologie und Tropenmedizin, Bundeswehrkrankenhaus Berlin

c Klinik für Innere Medizin – Fachbereich Tropenmedizin und Infektiologie, Bernhard-Nocht Institut und Bundeswehrkrankenhaus Hamburg

Zusammenfassung

Infektionserkrankungen sind wehrmedizinisch hoch relevant – sie waren es seit Jahrhunderten, auch während des Internationalen Krisenmanagements und in ganz anderer Dimension in der Landes- und Bündnisverteidigung. Eine Analyse nach wehrmedizinisch relevanten Kriterien ergab für fünf wesentliche Erkrankungsgruppen, die sog. „UGLY FIVE“, Risikobewertungen und Ableitungen für Prävention, individualmedizinische Behandlung als auch Verhaltensempfehlungen , die insbesondere für die Ausbildung auf verschiedenen Ebenen der Versorgung und Qualifikation herangezogen werden können.

Schlüsselwörter: relevante Gesundheitsgefährdung, Hygiene, Prävention, Risikobewertung, Infektionskrankheiten, Versorgungsebenen, Jedermann- und Laientraining, Force Health Protection, disease non battle injuries (DNBI)

Summary

Infectious diseases are highly relevant in terms of military medicine – they have been for centuries, also during the International Crisis Management and in yet another dimension under article 5 scenarios. An analysis according to criteria relevant to military medicine revealed five essential disease groups, so-called “UGLY FIVE”, which generates risk assessments and derivations for prevention, individual medical treatment as well as behavioral recommendations, which can be used in particular for training at different levels of care and qualification.

Keywords: disease non battle injuries (DNBI); significant health hazard; risk assessment; infectious diseases; medical care level; non professional medical caretaker; force health protection (FHP)

Einleitung und Hintergrund

In der historischen Betrachtung der Konflikte und Kriege fielen durch „nicht kriegsbedingte Verletzungen“ – sog. disease non battle injuries (DNBI) – mehr Soldaten aus als durch unmittelbare Feindeinwirkung bzw. kriegsbedingte Verletzungen. Hierbei stellen in der Gesamtbetrachtung der DNBI die Infektionserkrankungen den überwiegenden Anteil. Durch langfristige Hospitalisierung und/oder Tod der vorgenannten DNBI-Patienten waren die Auswirkungen auf die militärische Schlagkraft im Einsatzgebiet von maßgeblicher Bedeutung.

Dies stellen Smallman-Raynor und Cliff eindrücklich und detailliert in ihrem Buch „War Epidemics” für militärische Konflikte in der Zeitspanne von 1850 bis 2000 dar [3]. Dabei werden die Wechselwirkungen mit Ausbrüchen von Infektionskrankheiten unter der Zivilbevölkerung in dem Werk gesondert betrachtet. Abschließend konstatieren sie, dass sich die Natur der Kriege zwar über die Jahre verändert habe, aber die Verbindung von „Krieg und Seuche“ auch in der Gegenwart unverändert bestünde. Sie zeigen dabei deutlich auf, dass Impfungen, Hygienemaßnahmen, Überwachung wie Präventiv- und Behandlungsmaßnahmen der Populationsmedizin zuletzt die Anzahl der an Infektionen erkrankten oder verstorbenen Soldaten deutlich verringern konnten. Weiterhin konnten durch die positiven Entwicklungen in der Präventivmedizin etwaige Ausbrüche früher erkannt und v. a. frühzeitiger eingedämmt werden als noch zum Beispiel im 1. Weltkrieg. Jedoch sei die wehrmedizinische Bedeutung der Infektionserkrankungen in militärischen Konflikten nicht verschwunden: Infektionserkrankungen wurden nur besser „im Zaum“ gehalten.

Militärische Konflikte bedeuten immer wieder Mängel an verschiedensten grundlegenden Ressourcen, infrastrukturellen Voraussetzungen und Einschränkungen aus präventivmedizinischer Sicht. Prinzing benannte bereits 1916 die wesentlichen Faktoren, die das Auftreten von Infektionserkrankungen im Krieg und unter Soldaten befördern [2]:

„…beengte Lebensbedingungen, mangelhafte persönliche Hygiene, Mangel an sauberem Trinkwasser, ungesunde Ernährung, witterungsunangepasste Bekleidung, behelfsmäßige Unterbringung, jahreszeitliche Abhängigkeiten und teils widrige Wetterbedingungen, unzureichende medizinische Betreuung und natürlich die lokale Epidemiologie von Erkrankungen“.

Psychische Belastung, Zeitdruck und auch die Notwendigkeit, Soldaten ohne ausführliche Musterung einzuziehen, kommen darüber hinaus erschwerend hinzu.

Aktuelle Daten aus der Ukraine

In der aktuellen Situation unterstützt die Analyse häufiger Erkrankungen von ukrainischen Soldaten während des völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieges auf die Ukraine (UKR) diese Behauptung und rückt die wieder ansteigende Auswirkung der DNBI, vor allem der Infektionserkrankungen, mit einem maßgeblichen Ausfall an militärischem Personal in der Landes- und Bündnisverteidigung wieder in den Fokus (vgl. Abbildung 1). Es kommt zu einer sichtbaren Zunahme bestimmter Erkrankungsbilder aufgrund u. a. schlechterer hygienischer Bedingungen und eingeschränkter medizinischer Versorgung.

Abb. 1: Ausfallkriterien innerhalb der UKR-Streitkräfte aus sanitätsdienstlicher Sicht in den ersten 3 Kriegsmonaten (Ende Februar bis Ende Mai 2022, Quelle: Medical Forces Command, Armed Forces UKRAINE)

Auch Lawry et al. erforschten in Interviews mit ukrainischen Soldaten und zivilem medizinischem Personal über den Zeitraum von einem Jahr die häufigsten DNBI. Im Ergebnis stellten sie u. a. fest, dass die Umgebungsbedingungen dazu führen, dass Präventivmaßnahmen, sei es gegen Hitze und Kälte oder gegen Infektionen, nur eingeschränkt durchgeführt werden können [1].

Bedeutende Rolle der DNBI

Es bedarf also, etwas überspitzt gesagt, einer Änderung der Bedingungen, die die bisherigen Präventionsstrategien behindern oder unmöglich machen. Somit spielen DNBI, hier insbesondere die Infektionskrankheiten, wieder eine bedeutendere Rolle in Bezug auf eine resiliente und bruchfreie Einsatzbereitschaft sowie eine wirksame militärische Auftragserfüllung in militärischen Auseinandersetzungen. Dies erfordert aus wehrmedizinischer Sicht die Analyse der wichtigsten Bedrohungen und daraus die Ableitung notwendiger Handlungsmöglichkeiten, besonders wichtig aufgrund der Anzahl betroffener und damit für die Gefechtswirkung ausfallender Soldaten.

The „UGLY FIVE“

Die Literaturrecherche [4] und die persönlichen Sachstandsberichte von Angehörigen der UKR-Streitkräfte im Rahmen der EUMAM-Ausbildung (European Union Military Assistance Mission Ukraine) sowie der in ressourcenarmen Settings trainierten Tropenmediziner Infektionen/Infestationen zeigten, dass folgende fünf relevante Gesundheitsgefährdungen aus präventivmedizinisch-infektiologischer Sicht – die „Ugly Five“ – adressiert werden müssen (Abbildung 2).

Abb. 2: Die fünf wichtigsten Ursachen für eine relevante Gesundheitsgefährdung aus präventivmedizinisch-infektiologischer Sicht, in Abgrenzung zu direkten und indirekten traumatologischen Gesundheitsbeeinträchtigungen, vor allem bei widrigen gesamthygienischen Einsatzbedingungen (Bild: Dr. Roßmann, München)

Hauterkrankungen

Die erste relevante Gesundheitsgefährdung sind Hauterkrankungen, die vor allem durch Ressourcenmangel sowie reduzierte Körperpflege entstehen und die Notwendigkeit zum frühzeitigen Wundmanagement bedingen, um Wundinfektionen zu vermeiden bzw. hinauszuzögern und mittelfristig den Antibiotikagebrauch wie die Induktion multiresistenter Keime zu minimieren (Abbildung 3).

Abb. 3: Aus einer schweren Marschblase wird ein gramnegativer Fußinfekt. (Bilder: Dr.Gottwald/Dr. Vanegas, Hamburg)

Vektoren wie Mücken, Zecken und Nagetiere

Vektoren (z. B. Mücken, Zecken und Nagetiere) lassen sich mit limitierten Ressourcen nur schwer kontrollieren. Permanente Exposition führt zu einer größeren Erkrankungswahrscheinlichkeit.

Abb. 4: Exposition mit durch Nagetierurin verseuchtem Wasser kann zur Leptospirose mit Leber- und Nierenversagen (hier Bild eines ikterischen Auges) führen. (Bilder: Adobe Stock Photo, Lizenz Dr.Wiemer, Hamburg)

Befall mit Ektoparasiten

Ebenfalls eng vergesellschaftet mit mangelnder Hygiene, hier speziell fehlende Möglichkeit, Wäsche zu waschen und in sauberer Umgebung zu schlafen, sind Erkrankungen, die durch den Befall mit Ektoparasiten (Läuse, Flöhe, Milben, Wanzen) entstehen. Als Beispiele seien hier die Krätze (Scabies) das durch Läuse übertragene Fleckfieber (Erreger Rickettsia prowazekii) erwähnt (Abbildung 5).

Abb. 5: Kleiderlaus und typische Hautveränderungen bei Rickettsiosen (Bilder: Dr. Fischer/Dr. Eisenbarth, Hamburg)

Durchfallerkrankungen

Eine weitere komplexe Gesundheitsgefährdung sind Durchfallerkrankungen, die mit ihrem Ausbruchspotential immer eine Bedrohung für die Einsatzfähigkeit militärischer Kräfte darstellen. Erworben werden sie häufig durch unsichere Wasser- und Nahrungsquellen. Ausbrüche entstehen aber meist durch mangelnde Händehygiene und das Leben auf engem Raum mit fehlenden Möglichkeiten der isolierten Unterbringung infektiöser Patienten, bei gleichzeitig häufig und eingeschränkten sanitär(infra)strukturellen Möglichkeiten sowie Mangel an sauberem und nachhaltig verfügbarem Wasser (Abbildung 6).

Abb. 6: Ohne sauberes Wasser keine Hygiene (Bilder: Adobe Stock Photo, Lizenz Dr.Wiemer, Hamburg)

Fieberhafte Erkrankungen und Atemwegsinfektionen

Am schwersten zu kontrollieren und zu vermeiden sind luftübertragene Erkrankungen (hier zusammengefasst als fieberhafte Erkrankungen bzw. Atemwegsinfektionen). Dies betrifft Erkrankungen wie die banale Erkältung ebenso wie Masern, Windpocken oder Tuberkulose. Das Zusammenleben über längere Zeit auf engstem Raum und ein durch viele Faktoren geschwächtes Immunsystem fördern Auftreten und Ausbreitung dieser Gesundheitsgefahren (Abbildung 7).

Abb. 7: Beengte Bedingungen befördern luftübertragene Erkrankungen; die Röntgenaufnahme zeigt das Bild einer schweren Pneumonie. (Bilder: Adobe Stock Photo, Lizenz Dr.Wiemer, Hamburg)

Bei Ausnutzung aller zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zum Erhalt eines Minimums an persönlicher Hygiene und bei frühzeitiger Erkennung gesundheitlicher Risiken kann die Gefährdung bereits im „Keim erstickt“ werden. Für viele dieser Erkrankungen gilt:

  • früh erkannt,
  • einfach behandelt und
  • schnell geheilt.

Der Betroffene ist sehr rasch, oft schon innerhalb weniger Tage wieder einsatzfähig, im Gegensatz zu seinem verletzten oder verwundeten Kameraden, der einer hoch komplexen Behandlung bedarf, rasch evakuiert werden muss und – wenn überhaupt – nach langer Zeit wieder an die Front zurückkehrt.

Methodik der „UGLY FIVE“-Analysetabellen

Für die Bewertung der genannten fünf relevantesten Erkrankungsgruppen wurden bestimmte Kriterien betrachtet (Abbildung 8):

  • Wahrscheinlichkeit des Eintretens,
  • Schadensausmaß für die eingesetzten Kräfte,
  • Kontagiösität des Patienten ,
  • Letalität der individuellen Erkrankungen,
  • Ausfalldauer des Patienten im Einsatz,
  • Bindung der sanitätsdienstlichen Kräfte im Einsatzgebiet und
  • Spätfolgen für den einzelnen Soldaten.

Abb. 8: Gesundheitsgefährdung Durchfallerkrankung mit Bewertung und Folgerungen auf allen Versorgungsebenen

Außerdem erfolgt immer eine Risikobewertung nach einheitlichen Bewertungskriterien unter Beachtung sowohl günstiger als auch ungünstiger Bedingungen. Ergänzend werden die Faktoren Vorkommen und Folgen mitbetrachtet.

Für alle fünf Versorgungsebenen wird eine standardisierte, auf die Patientenversorgung ausgerichtete Handlungsempfehlung erstellt. Diese umfasst die Bereiche Prävention, individualisierte Medizin sowie das Verhalten im Ereignisfall auf fünf verschiedenen Versorgungsebenen.

Die fünf unterschiedlichen Versorgungsebenen sind:

  1. jedermann (jeder Soldat individuell),
  2. die trainierte Laienebene nicht medizinisches Personal mit Führungsverantwortung, z. B. auf der Ebene Zugführer/Kompanietruppführer/Kompaniefeldwebel, welches präventivmedizinisch geschult ist,
  3. Role1/Truppenarzt auf Bataillonsebene,
  4. Role 2/Brigadeebene,
  5. Role3/Divisionsebene.

Am Szenario „Durchfallerkrankungen“ wird die Anwendung der o.g. Methodik beispielhaft gezeigt.

Durchfallerkrankungen können ubiquitär vorkommen und treten zunehmend gehäuft auf, wenn hygienische Standards durch äußere Faktoren vermindert werden. Das plötzlich auftretende Krankheitsereignis mit deutlich ausgeprägter Symptomatik führt zu einer unmittelbaren und umfassenden Einschränkung der Einsatzfähigkeit.

Die Risikobewertung in Bezug auf Durchfallerkrankungen zeigt eine hohe Wahrscheinlichkeit bei ungünstigen Bedingungen, das Schadensausmaß variiert je nach Bedingungen zwischen niedrig und sehr hoch, die Kontagiösität und Bindung der sanitätsdienstlichen Kräfte ist je nach Bedingungen und ursächlichem Erreger moderat bis hoch. Die Letalität liegt in Abhängigkeit vom Erreger zwischen niedrig und moderat. Die Ausfalldauer beträgt wenige Tage bis mehrere Wochen. Bei immunkompetenten Patienten sind keine Spätfolgen zu erwarten.

Die Abbildungen 9 bis 12 zeigen die Analysetabellen für die Szenarien „Befall mit Ektoparasiten“, „Vektoren“, „Fieberhafte Erkrankung“ und „Hauterkrankungen“.

Abb. 9: Analysetabelle „Ektoparasiten“

Abb 10: Analysetabelle „Vektoren“

Abb. 11: Analysetabelle „Fieberhafte Erkrankung“

Abb. 12: Hauterkrankungen

Trauma-Rettungskette versus Infektions-Management

Auf der Grundlage der vorbeschriebenen Kriterien wurden sowohl präventivmedizinische als auch individualmedizinische Handlungsabfolgen mit einem besonderen Fokus aufLaienebene (jeder Soldat im Einsatz) und trainierte Laienebene (vorgesetztes Personal ohne qualifizierten medizinischen oder militärmedizinischen Hintergrund) abgeleitet. Dabei wurden nachfolgend auch die weiterführenden sanitätsdienstlichen Versorgungsebenen ab Bataillonsgefechtstand und bis in das rückwärtige Einsatzgebiet berücksichtigt. Hierbei unterscheidet sich der wehrmedizinische Bewertungs- und Reaktionsansatz teilweise von den sanitätsdienstlichen Reaktionsstrukturen, die aus traumatologischen und psychomedizinischen Verfahrensansätzen der sanitätsdienstlichen Behandlungs- und Logistikketten resultieren (Tabelle 1).

Tab. 1: Vergleich verschiedener Aspekte der Traumarettungskette und des Infektions-Managements:

Zusammenfassend ist folgendes hierzu festzuhalten:

  • Im Gegensatz zur Traumarettungskette, die bereits sowohl auf die Jedermann-Ebene (Einsatzersthelfer-A/EEH-A) als auch der trainierten Laienebene (EEH-B) – vergleichbar mit dem psychosozialen Ansatz des PEER-Trainings – etabliert ist, besteht im Bereich DNBI-Prävention und Erkennung (FHP) in den ersten beiden Versorgungsebenen noch Handlungsbedarf, insbesondere im Bereich der Ausbildung.
  • Inhaltliche Vorschläge zur Verbesserung bzw. zum Schließen der „FHP-Lücke“ auf den ersten beiden Versorgungsebenen, um sowohl in der Erkennung als auch bei den Sofortmaßnahmen effizient und zielgerichtet handeln zu können, sind in den Szenaren der fünf Erkrankungsgruppen aufgeführt. Die Umsetzung und Verstetigung der notwendigen Ausbildungsinhalte im Bereich DNBI-Prävention und Erkennung (FHP) ist Aufgabe eines teilstreitkräfteübergreifenden Ansatzes (Sanitätsausbildung, Leben im Felde usw.).
  • Ab Role 1 ist fachmedizinisch/sanitätsdienstliches FHP-KnowHow entsprechend vorhanden und etabliert. Dies ist aber möglicherweise durch Behandlung von Traumapatienten akut gebunden und/oder aufgrund der Dislozierung des Gefechtsschwerpunkts bei dennoch auftretenden DNBIs gar nicht zugegen. Damit kommt der Ebene des Einzelnen sowie der trainierten Laienebene eine besondere Rolle und Verantwortung zu.

Gesamtfazit und Ausblick

  1. Infektionserkrankungen sind wehrmedizinisch hoch relevant – insbesondere unter anhaltenden Gefechtsbedingungen.
  2. Infektionserkrankungen lassen sich vor allem durch präventivmedizinische Maßnahmen verhindern. Frühzeitig erkannt, lassen sich Infektionserkrankungen meist gut behandeln und eine weitere Ausbreitung verhindern. Ein wehrmedizinischer Fokus muss daher stets auf der Ausschöpfung aller prophylaktischen Maßnahmen liegen. Dazu gehören neben den bekannten Maßnahmen zu Hygiene und Impfprävention auch breit verfügbares Wissen im Verhindern und Erkennen von Infektionen.
  3. Zielgerichtetes Laientraining kann hier einen herausragenden Beitrag leisten. Jeder einzelne Soldat kann und muss befähigt werden, sich selbst und andere bestmöglich zu schützen. Einem gefechtsbedingten Ressourcenmangel und infrastrukturellen Hindernissen kann so durch Ausbildung etwas Substantielles entgegengesetzt werden.
  4. Der infektionserkrankte Soldat kann im Gegensatz zum Traumapatienten in der Regel zügig wieder einsatzfähig werden. Außerdem erfolgt die Behandlung im Unterschied zum Traumapatienten grundsätzlich im rückwärtigen Einsatzraum oder in Frontnähe („stay and play“).
  5. Ein zusätzlicher Benefit (neben dem verbesserten direkten, individuellen Gesundheitsschutz aller Einsatzkräfte) ist die indirekte Entlastung der ohnehin bereits stark beanspruchten sanitätsdienstlichen Behandlungs- und Logistikketten aller und sonstiger militärischer Versorgungsstrukturen aufgrund der dann geringeren Anzahl von DNBI.

Kernaussage

  • Infektionen sind meist gut vorzubeugen und zu behandeln, aber künftig wird medizinisches Personal knapp sein. Deshalb ist gezieltes Laientraining jetzt dringend nötig.

Literatur

  1. Lawry LL, et al:A qualitative assessment of disease and non-battle injuries in Ukraine since the Russian invasion. Confl Health. 2025; 19(1): 19. mehr lesen
  2. Prinzing, F: Epidemics Resulting from Wars. Oxford: Clarendon Press 1916. mehr lesen
  3. Smallman- Raynor M, and Cliff A: War epidemics: An historical geography of infectious diseases in military conflict and civil strife, 1850-2000. Oxford University Press 2004. mehr lesen

Literaturempfehlungen

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Manuskriptdaten

Zitierweise

Roßmann K, Neumann N, Albrecht A, Wiemer D, Frangoulidis D: Force Health Protection in der Landes- und Bündnisverteidigung: „Die hässlichen Fünf“ Erkrankungsgruppen – was ist zu tun? WMM 2025; 69 (9): 382-389.

DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-752

Für die Verfasser

Oberstveterinär Dr. Katalyn Roßmann

Sanitätsakademie der Bundeswehr,

Direktorat Wissenschaft Gesundheitsversorgung Bw

Abteilung H/MI2/Surveillance/MN FHP Nexus

Dachauer Str. 128, 80637 München

E-Mail: katalynrossmann@bundeswehr.org

Manuscript Data

Citation

Roßmann K, Neumann N, Frangoulidis D, Albrecht A, Wiemer D: [Force health protection in national and alliance Defense: ‘The Ugly Five’ Illness Groups – What should to be done?]. WMM 2025; 69(9): 382-389.

DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-752

For the Authors

Colonel (MC Vet) Dr. Katalyn Roßmann

Bundeswehr Medical Academy

Division MI2/Surveillance

Dachauer Str. 128, D-80637 München

E-Mail: katalynrossmann@bundeswehr.org

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